Polemik

[Polemik] Sirenenalarm

Normalerweise werden die Ohren im hiesigen Coop-Restaurant mit dezenter Fahrstuhlmusik und Stücken aus dem einschlägig bekannten konformistischen Einheitsgedudel der privaten Radiosender im Lautstärkenbereich knapp über der Hörschwelle sanft gestreichelt.

Nicht so heute. In der Kinder-Spiel“burg“ lieferten sich Secondosirenen mit eingeborenen Blagen einen spannenden und langatmigen Wettkampf um die schrillste und gemeinste Überschreitung der staatlich vorgeschriebenen Dezibelgrenzen in Arbeits- und Vergnügungsstätten. Untermalt wurde das infantile Immissionsinferno von dem unablässig an- und abschwellenden Klingelton eines offensichtlich vernachlässigten Mobiltelefons.

Wenn man jetzt noch die mir dargereichte jämmerliche kulinarische Darbietung berücksichtigt, kann ich ohne Übertreibung feststellen: so stelle ich mir meine persönliche Hölle vor.

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In den Gehörgängen: DRS 3
Zuletzt gelesen: BaZ
Zuletzt geglotzt: MTV
Aktuelles Lieblingswort: tofte

[Polemik] New Coke Light Man

Der internationale Brausewasserkonzern "Coca-Cola Company" respektive sein Schweizer Ableger "Coca-Cola Schweiz AG" veranstaltet heuer und hierzulande den Wettbewerb "New Coke Light Man 2005". Ein Riesenwitz schon der Titel dieses Wettbewerbs. New Coke Light Man. Jedes vernunftgeleitete Wesen sieht auf den ersten Blick: Ein klassischer Widerspruch in sich. Denn welcher Mann von Schrot und Korn würde schon Cola Light trinken und dies auch noch in aller Öffentlichkeit zugeben? Richtig, kein Einziger!

Aber weiter geht das hanebüchene Gefasel der PR-Fuzzis. Gesucht werden "Männer mit Charakter, die gerne gegen den Strom schwimmen, die über eine positive Lebenseinstellung verfügen, humorvoll sind und einen aktiven Lebensstil pflegen. Echte Typen, also!"

Nur soviel: "Männer mit Charakter, die gerne gegen den Strom schwimmen" trinken prinzipiell keine zuckrige Braunbrausplörre, die Hinz und Kunz in jedem verdammten Land dieser Erde in sich reinschütten. Solche Männer trinken gegorene Stutenmilch, Strohrum oder von mir aus auch rostige Nägel. Aber sicher keine Cola, das wäre ja gelacht. Und wenn sie - was Gott bewahre! - trotzdem jemals Cola konsumieren müssten, dann richtig. Also mit geschätzten 367 Würfelzucker pro Deziliter und einem Säuregrad, der ganze Kuhmagensysteme ohne weiteres zersetzt, sprich: Coca-Cola. Ohne lasches "Light", ohne damenhaftes "Diet".

Männer, die "über eine positive Lebenseinstellung verfügen", werden sich hüten, ihren Gaumen oder gar ihren Magen mit Cola Light zu beleidigen und zu malträtieren. Ich behaupte deshalb, kein männlicher Artgenosse würde diesen Horror freiwillig auf sich nehmen, denn das artifiziell gezuckerte Gesöff schmeckt so grauenerregend künstlich, man muss annehmen, dass jedem einzelnen Cola-Molekül mit dicken Eichenholzprügeln jeglicher Lebenshauch aus dem Leib geprügelt worden ist. Ein dunkler, tiefer und unheilvoller See ohne Leben und von zweifelhaftem, seien wir ehrlich, Brechreiz erregend künstlich-fadem Geschmack. Nein, nein. Das kann niemandem schmecken. Und erst recht nicht einem gestandenen Mann mit "positiver Lebenseinstellung". Also bitte!

Es drängt sich hier der Vergleich mit alkoholfreiem Bier auf. Hat schon irgendjemand jemals einen gestandenen Mann aus freiem Willen und mit Genuss an einem alkoholfreien Bier nuckeln sehen? Nur Lügenbolde würden dies bejahen. Bier ohne Alkohol, das ist wie Pommes ohne Salz, Meer ohne Wale oder Nasen ohne Popel, kurz inakzeptabel und in höchstem, ja kriminellem Masse wider die Natur. Liebhaber und Kenner der Serie "Simpsons" wissen, dass in der Serienwelt die Türe des Kühlschrankes für alkoholfreies Bier im "Kwik-E-Mart" in aller Gelassenheit als Geheimtür benützt werden kann, da sich noch kein Wesen des Simpsons-Universums an dieser Tür zu schaffen gemacht hat. "Das ist doch nur eine Cartoonserie!", hör ich die Kritikerschar kreischen. Richtig, aber schöner und treffender hätte selbst das Leben die Fakten nicht auf den Tisch knallen können. Also Maul zu. Aber zurück zum schwachmatig zuckerlosen Cola-Surrogat "Coke Light" respektive dessen Vertreter in spe.

"Als Coke light Man steht man in einer langen, ehrenhaften Tradition." Hübsch gesagt bzw. hübsch dahergelogen, ihr PR-Propagandisten. Wort für Wort eine Beleidigung des Verstandes, eine Negation der Wahrheit. "Lange, Ehrenhafte Tradition"? Lange? Die poplige Veranstaltung findet gerade mal zum dritten Mal statt! Ehrenhaft? Kein Mensch mit Verstand und auch nur einem Funken Anstand in seiner Brust würde den Schandwettbewerb als ehrenvoll betiteln. Im Gegenteil! Handelt es sich doch um ein ehrenloses Treiben, welches gar die biblischen Verhältnisse von Sodom und Gomorrha mühelos in den Schatten stellt. Naive Jünglinge gelieren sich ihre Haare tot, entfernen sich mit ihren spärlich spriessenden Brusthaaren den letzten Rest Männlichkeit und prostituieren sich für einen dubiosen Kommerzgiganten und dessen zweifellos grauenhaftestes Produkt. Und wofür? Für ein paar Minuten Ruhm und für den schnöden Mammon. Wer hier noch von Ehre spricht, hat eine colaschwarze Seele in seiner dämonischen Brust.

Deshalb sollten alle bisherigen Gewinner, Teilnehmer und selbstverständlich auch die verbrecherische Veranstaltungsbande in corpore geteert und gefedert durch die Gassen getrieben und dem berechtigten Hohn und Spott der Menge zugeführt werden. Dass dies bis jetzt unterlassen wurde, gereicht diesem unserem schönen Heimatland zu bitterer und tränenreicher Schande.

"Er muss äußerst sympathisch sein, auch wenn seine dringlichste Funktion natürlich darin besteht, das Auge des Betrachters durch seine Wohlgestalt zu erfreuen." Wie kann man nach dem Gesagten für einen solchen "Coke Light Man" auch nur geheuchelte Sympathie empfinden? Ganz einfach: gar nicht. Nein, es ist unmöglich, moralisch verwerflich und falsch. Fast so falsch wie die Behauptung, dass die "dringlichste Funktion (sic!) [des Coke Light Man] natürlich darin besteht, das Auge des Betrachters durch seine Wohlgestalt zu erfreuen." Lüge, Lüge, Lüge! Denn wessen Augen sollen erfreut werden? Natürlich, die der Betrachterinnen, weil bekanntlich nur jene auf die wagemutige, ja törichte Idee verfallen, ihre Sinne mit Cola Light zu drangsalieren.

Wir sehen also, kein Funken Wahr- oder Ehrlichkeit steckt in den korsakowesken PR-Konfabulationen! Und so bleibt nur das Fazit, dass die Teilnehmer dieses Schandevents nur schwerlich als Männer bezeichnet werden können. Nun gut, mit viel Nachsicht im strikt biologisch-geschlechtlichen Sinn vielleicht. Aber ganz gewiss nicht im sozialkulturellen und identitätsgeschlechtlichen Sinne, sprich als Jäger, Revolverheld und Herr im Haus, die wir Männer sind. John Wayne und John Rambo seien ihrer armen Seelen gnädig.

[Polemik] Wider die Frühlingsmemmen

[Erste Veröffentlichung unter myblog.de/gebsn am 10. Mai 2005]

Kaum schlawinert sich der erste Sonnenstrahl durch die Wolkendecke, kaum klettert das Quecksilber - noch etwas scheu - über die zehn Grad Celsius-Demarkationslinie, da kommen sie wie das Ungeziefer aus ihren Löchern gekrochen: Die Frühlingsmemmen. Den ganzen gebenedeiten Winter lang hatte man in den weiten Parks und lieblichen Naherholungszonen Ruhe vor dem unsäglichen Pack. Luftig, leicht und ungestört liess es sich durch die paradiesischen, weil frühlingsmemmenleeren Weiten joggen. Stille, Eintracht, Wohlgefallen. Die wenigen Mitverschworenen wurden mit einem kurzen, wissenden Nicken gegrüsst. Vorbei, vorbei, die gute Zeit.

Damit hier eines herrscht, nämlich Klarheit: Frühling, Wärme, Sonnenstrahlen mag ich sehr. Die bei diesen Frühlingssymptomen explosionsartig ins Freie strömenden Völkerschaften hingegen weniger - seien wir ehrlich: überhaupt nicht.

Aber wer und was ist eine Frühlingsmemme? Gute Frage! Wie erwähnt, die gemeine Frühlingsmemme scheut das kaltfeuchte Wetter wie Osama den Barbier. Fallen die ersten Tropfen, ist Herr Frühlingsmemme ja sowas von schon längst wieder in der überheizten Memmenstube, das gibt's gar nicht. Herrscht Schal- oder Schirmwetter heisst's bei Frühlingsmemmens: zuhause ist's immer noch am schönsten. Auffallend ist, dass insbesondere junge Familien, frisch verliebte Pärchen und - leider, leider - ganz allgemein die verweichlichte Jugend zum Typus "Frühlingsmemme" zu zählen sind. Weht ein frisches Windchen, traut sich das hanswurstige Gesindel kaum mehr über die Türschwelle. Trüben ein paar unverschämte Wölkchen das Himmelsblau, steht eins schon fest: Frau Frühlingsmemme sieht sich's durch's Fenster an. Aber auch die sommerlich heissen Temperaturen mag die Frühlingsmemme nicht. Natürlich nicht.

Umso mehr soll hier unseren rüstigen Rentnern ein Kränzchen gewunden werden. Nicht nur trotzen sie ohne Murren Wind und Wetter, sondern sie zeigen sich auch bei allerschönstem Wetter nur in angebrachter Zahl im Freien. Ganz anders - wen mag's noch erstaunen? - das verabscheuungswürdige Frühlingsmemmengesocks. Allein sind diese Schurken bekanntlich nie anzutreffen. Denn die Frühlingsmemme ist ein ausgesprochenes Herdenvieh. Ihrem Naturell entsprechende meteorologische Bedingungen vorausgesetzt, besetzen Abertausende von Lenzluschen jeden verdammten Quadratmeter Naherholungsgebiet. Schmeissfliegen auf einem frisch gefallen Pferdeapfel gleich lassen sie das von ihnen besetzte Objekt unter ihrer erdrückenden wie nichtsnutzigen Präsenz verschwinden. Platz für normalsterbliche Wandervögel, Jogger und alle weiteren Nicht-Frühlingsmemmen? Ja, denkste!

Geht's schlimmer? Es geht! Unerträgliche Zustände muss man nämlich immer dann vorfinden, wenn zwei an und für sich wunderbare Ereignisse zusammenprallen und in einem finsteren, apokalyptischen Szenarium kulminieren. Sprich: wenn die warmen Frühlingstage auf einen Feiertag fallen. Gott sei uns allen gnädig! Dann gibt's kein Halten mehr bei Frühlingmemmens: wie ein gefrässiger Heuschreckenschwarm ziehen sie über die einst blühenden Landschaften, kein Fleckchen Grass, kein Stück Asphalt, das sie nicht mit ihren stinkenden Füssen malträtieren. Das scheue Wild, Flor' und Fauna sowie das normale Menschengeschlecht flieht, flennt, flüchtet. Eine Plage biblischen Ausmasses.

Kritische Geister mögen diese Ausführungen als übertrieben, ja absurd abtun. Aber Gott sei's geklagt, es ist nichts als die schauerliche Wahrheit, die ich an eigenem Leib erleben musste. Ein Beispiel (unter vielen) gefällig? Voilà: Wir schreiben den Karfreitag, den ersten frühlingshaften Feiertag dieses noch jungen Jahres 2005. Frohen Mutes zog ich kurz vor den nachmittäglichen Fünfen von zu Hause los. Die Joggingschuhe geschnürt, die sommerlich kurze Turnhose zeigte fahles Beinfleisch, das späte Mittagsmahl lag noch etwas schwer auf. Aber ich war guter Dinge. Wieso auch nicht, denn Petrus hatte uns einen prächtigen Frühlingstag hingekleckert. Die Strassen auf dem Weg zum "Grün 80" genannten Park, wo ich meine Joggingrunden zu drehen pflege, menschenleer. Lunge, Beine, Gemüt - alles noch im grünen Bereich. Kaum aber bei der "Grün 80" angekommen stockte mir der Atem. Menschenmassen so weit das Auge reicht! Verdammte Frühlingsmemmen!

Meine Route ändern? Sicher nicht. Sicher nicht der Frühlingsmemmen wegen! "Keine Handbreit den Frühlingsmemmen!", rief ich mir zu und stürzte mich tapfer in die wabernde Memmenmasse. In akrobatischem Slalomlauf umkurvte ich alles niederwalzende trächtige Mütter, wich in Todesangst Dreikäsehochs auf ihren viel zu kleinen Mountain Bikes aus, ihr höhnisches Dauergeklingel noch minutenlang in den Ohren. Mit verzweifelten Sprüngen versuchte ich mich vor den Rollerblade-Killerkommandos zu retten, die - zu zweit, zu dritt, zu viert! - auf wackligen X-Beinen alles in ihrer Rollschneise zu überrollen drohen. Keine Zeit, um sich um brennende Lungen, schwachmatiges Muskelfleisch oder den erst anverdauten Klumpen in meiner Magengegend zu kümmern, denn die Frühlingsmemmenplage fordert ungeteilte Aufmerksamkeit. Keine Sekunde darf man seine Gedanken schweifen lassen, keinen Augenblick auch nur eine Frühlingsmemme aus den Augen lassen.

Denn: Leinenlos herumrennende, hechelnde Hunde, minderjährige Fahrradrowdies und Babywagen schiebende Muttis und Vatis - sie alle eint das Ziel aller Frühlingsmemmen: Nicht-Frühlingsmemmen das Passieren so schwer als möglich und das Leben zur Pein zu machen. Dass ich es schliesslich überhaupt noch lebend bis ans herbeigeschluchzte Ende des Parks geschafft habe, grenzt an ein Wunder. Nur dank Fortuna und unter Schweiss, Blut und Tränen konnte ich den unerbittlichen Klauen der Lenzluschen entkommen. Doch zu welchem Preis, ja zu welchem Preis?! Den Pyrrhussieg bezahlte ich teuer. Nur mit letzter Kraft konnte ich mich überhaupt noch nach Hause schleppen, wo ich völlig entkräftet weinend zusammenbrach und alsbald in einen todesähnlichen Schlaf fiel und von süssen, frühlingsmemmenfreien Zeiten träumte.

So sind sie, die Frühlingsmemmen. Und all den ungläubigen Menschenfreunden, die dies in der Einfalt ihres Herzens als Schauermär abtun, sei's ins Stammbuch geschrieben: Wer's nicht glaubt, ist ihnen nur noch nicht begegnet. Kaum mehr erfreuen kann man sich an den sonnig-warmen Lenzentagen. Es ist zum Weinen. Und wer hat Schuld? Genau. Darum: wehe, wenn die Sonne scheint!

Ziehen aber Wölkchen auf oder erdreisten sich gar ein paar unverschämte Regentropfen, vom Himmel zu fallen, dann sind sie - husch, husch - weg, die vermaledeiten Frühlingsmemmen. Darum kann ich nur sagen, lass reichlich Regen fallen, Herr.

[Polemik] Glückwunsch zum neuen Papst - offener Brief an die Katholiken und Katholikinnen

[Erste Veröffentlichung unter myblog.de/gebsn am 19. April 2005]

Da in den nächsten Tagen über die unerbittliche Gesamtheit der Medienkanäle noch genug Fakten und Nichtfakten zum neu gewählten Papst Benedikt XVI. auf uns alle niederprasseln werden, möchte ich hier mit einem offenen Epistel an die Mitglieder der katholischen Kirche einen anderen Weg einschlagen und der - ach so unterschätzten - polemischen Subjektivität Tür und Tor öffnen. Den religiös empfindlichen Menschen rufe ich zu: "extra omnes, aber hui!". Denn schon beginnt das närrische Schreiben:

Glückwunsch, liebe Katholiken und Katholikinnen. Da hat sich euer Herrgott da oben wieder mal einen schnafte Stellvertreter ausgesucht. Ein schlechter Scherz des Weltenlenkers? Wird der Allmächtige auf seine alten Tage doch noch tatterig, grau und fehlbar? Oder hat der "liebe Gott" auch einfach die Schnauze voll von seinen Schäfchen und ihrem Treiben auf dem Erden Rund und will ihnen, ergo euch, deshalb mal wieder so richtig einen reindrücken? I wo! Der alte Herr setzt auf Kontinuität. Gerne würde ich sagen, "das ist mir wurstegal" (Gilbert Gress). Aber leider hat das Treiben der Päpste auch seine ganz realen, ausserkirchlichen Folgen.

Keinesfalls will ich aber die nächsten Tage das Gejammere hören, warum ausgerechnet der Ratzinger, Sepp alias "Papa Ratzi" (genialo, Herr Fonzi!) Papst werden musste und nicht dieser oder jener (ehemalige) "Papabile". Schliesslich hat Gott höchstpersönlich "Ratze" ausgesucht und ratzfatz durch seine graumelierten Kardinäle wählen lassen.

Glaubt ihr nicht? Der Blitz soll euch beim Scheissen treffen, ungläubiges Pack! Natürlich hat er das, oder zweifelt ihr etwa an seiner Allmacht, seiner Allwissenheit und seiner alles durchflutenden Liebe? Dann hurtig ein Kirchenaustrittsgesuch geschrieben. So ein Wisch ist schnell verfasst, das weiss meiner einer aus eigener Erfahrung der Welt zu berichten. Und weiss Gott (sic!), an diesem heutigen Tage bin ich ganz besonders froh, der katholischen Kirche nicht mehr anzugehören. Den tapfer Ausharrenden möchte ich folgende Worte des Trostes auf den steinigen und dornigen Weg mitgeben: "Gott ist tot" (Friedrich Nietzsche). Viel Vergnügen mit Benedikt XVI.

[Polemik] Burgerwüste

[Erste Veröffentlichung unter myblog.de/gebsn am 11. Februar 2005]

Gestern war es wieder mal soweit: Nahrungsaufnahme bei McDonald's. Eigentlich gebe ich mir ja Mühe, die Fastfood-Kette möglichst wenig zu frequentieren, weil ich aus Erfahrung klug geworden bin: die Burger sind klein, wenig schmackhaft und halten das Hungergefühl, wenn's hoch kommt, eine Nanosekunde in Schach. Von Müllproduktion, Lohnniveau etc. will ich gar nicht reden. Um der Objektivität Genüge zu tun, will ich nicht verschweigen, dass die McDonald's-Fritten gar nicht mal so unlecker sind. Aber ich schweife ab.

Ein Burger sollte es gestern sein. Da gerade Speck-Wochen waren und ich aus unerfindlichen Gründen den McBacon als leckere Oase in der tristen Burgerwüste in Erinnerung hatte, bestellte ich frohgemut ebendiesen McBacon. Den erhielt ich auch pronto, allerdings zum Wucherpreis von SFr. 6.90. Sechs neunzig! Um die kurze Besinnungslosigkeit aufzufangen, klammerte ich mich am Tresen fest und wankte anschliessend ungläubig bis irre lachend zu einem Tischchen. 6.90. Es ist zum Schreien, erst recht wenn man das Schächtelchen öffnet und den putzigen kleinen Burger betrachtet. Für wenig mehr Zaster hätte es anderswo einen kaum in die Hände passenden Kebab mit dreimal mehr Fleisch viermal mehr "Grünzeug" und tausendfach mehr Zwiebeln gegeben. Aber nein, der Herr muss natürlich bei McDonald's einkehren.

Aus drei Gründen jedoch muss man MacDonalds einfach bewundern:

Erstens. Wer selbst schon mal einen Burger gefertigt hat, weiss um die Schwierigkeit, das Ding möglichst flach zu kriegen. Nicht so in Ronald McDonalds Küche. Serviert werden hauchdünne Fleischscheiben. Erstaunlich. Meine Vermutung: hier wird auf molekularer Ebene gearbeitet (die Anschaffungskosten für Elektronenmikroskope würden wären eine logische Erklärung für die horrenden Preise).

Zwotens. Ebenso bewundernswert ist die nonchalante Dreistigkeit, mit der für die wie erwähnt lächerlich winzigen Portionen Preise aus 1001 Nacht verlangt werden. Und die Konsumentenschar nimmt's hin und kauft.

Drittens. Wenn man dem Konsumentenschlund schon nichts kulinarisch Wertvolles bieten kann, dann kann man den Konsumenten wenigstens in frechster Manier "I'm lovin it", "ich liebe es" etc. in den Mund legen. Und dann natürlich den Allerweltsspruch rechtlich schützen lassen.

Vor so viel Unverschämtheit kann ich nur bewundernd den Hut ziehen.


P.S. Und noch ein wenige Poesie zum Thema und zwar aus der Titanic.

Gsella am Donnerstag: ACH, ACh, ACH und ACH - Eine Restaurantkritik

"McDonald's verliert den zweiten Vorstandschef binnen sieben Monaten. Der 44-jährige Charles Bell tritt wegen einer Darmkrebserkrankung zurück. Sein Vorgänger Jim Cantalupo war im April überraschend verstorben." (ap)

Schicksal birgt sich, ach, fast immer.
Aber hin und wieder fällt
Zitternd wie ein Kerzenschimmer
Eine Ahnung in die Welt.

Ach, vor grade einmal sieben
Monden riß der Tod, o Graus,
Aus dem Kreise seiner Lieben
Den McDonald's-Chef heraus.

Ach, ein neuer ward gefunden.
Doch auch dessen Leben wankt.
Gebe Gott, er mag gesunden,
Wo er doch an Darmkrebs krankt.

Lebens Faden ist aus Seide.
Furchtbar ist es, wenn er reißt.
Ach, wieso denn haben beide
Niemals AUSSER Haus gespeist?


Und wer sich jede Lust auf McDonald's Produkte endgültig verderben will, sollte sich mal den unterhaltsamen Dokumentarfilm "Super Size Me" reinpfeifen. Gibt's unterdessen schon auf DVD und mit etwas Geduld hoffentlich auch für lau am TV.

[Polemik] Vive la France?

Ja, die Franzosen! Die sind mir vielleicht ein Völkchen! Was hat die "grande nation" dieser bisweilen doch recht schönen Welt nicht alles Wunderbares geschenkt: das Stangenweissbrot mit dem adretten Namen "Baguette", einen klugen wie wortgewandten Kopf namens Voltaire und die Kühnheit, horrenden Alkoholkonsum unter dem Deckmäntelchen der täglichen Landesrituale "Apéritif", "Dîner" und "Digéstif" zu zelebrieren. Da setzen wir uns gerne einen Hut auf, um ihn demütig staunend vor dem frechen linksrheinischen Völkchen zu ziehen.

Alles zum Besten also im "Hexagon"? Von wegen, mitnichten, ja: i wo! Wer schon mal das ausserordentliche Pläsier hatte, als Zugreisender in Paris den Bahnhof wechseln zu müssen (und das hat jeder, der das Land des Zentralismus durchreisen will oder muss), der kennt die an Impertinenz grenzende französische Sitte, den Reisenden das Leben so schwer als nur möglich zu machen. "Ach, hörnse doch auf", hör ich die frakophile Brut schon wüten, "so schlimm kann das doch gar nicht sein!" Oh doch, es kann.

Der Preis bewusst Reisende muss sich für den Transfer zwischen zwei Pariser Bahnhöfen nämlich die "Métro" schnappen. Und für die "Métro" braucht's - so ist es Sitte und Brauch nicht nur in "Fronkreisch" sondern auch in der zivilisierten Welt - ein Ticket, oder wie das Franzosenvolk zu sagen pflegt: "un ticket". Und da fängt das ganze Schlamassel an. Gastfreundlich wie er ist, stellt der Franzmann dem von der strapaziösen Reise geplagten Fremdling nämlich nicht ein, nein sogar zwei bediente Ticketschalter hin. Was Wunder, dass sich hier zwei Schlangen bilden, so lange wie die Menschheitsgeschichte selbst. Schlimm, schlimm. Aber zum guten Glück gibt's ja noch ein halbes Dutzend Ticket-Automaten.

Nun besagt aber bekanntlich der erste Artikel der französischen Verfassung, dass immer (und ohne jede Ausnahme) höchstens einer der Métroticket-Automaten betriebsbereit sein darf. Und auch am "Gare de Montparnasse" wird die Verfassung selbstredend nicht gebrochen. Die verbliebenen Automaten werden jeweils entweder mit "ausser Betrieb" angeschrieben oder - noch perfider - entpuppen sich erst dann als defekt, wenn man sein extra für diese Gelegenheit aufgespartes Kleingeld in den gierigen Automatenschlund geworfen hat. So steht man sich deshalb auch als zukünftiger Ticketautomatenbenützer die Beine in den Bauch, bis man in der sich durchs ganze Gebäude schlängelnde Warteschlange an erster Stelle und endlich vor dem Automaten steht. Betriebspersonal, welches auch nur den Anschein macht, sich um das Problem zu kümmern? Fehlanzeige!

A propos Anzeige, hier hat sich in den Bahnhöfen eine weitere liebenswerte Franzmann-Marotte durchgesetzt. Im ganzen, grossen und von Menschen und Franzosen überfluteten Bahnhof gibt es genau eine - zugegebenermassen riesige - Tafel, auf der die Abfahrtsgleise dargestellt werden - und zwar im letztmöglichen Moment. So sammelt sich die ganze Leidensgemeinschaft unter der Tafel in banger Erwartung der Bekanntgabe der Gleise, während sich wahrscheinlich irgendwo hinter verspiegeltem Glas ein paar Franzosen schadenfroh über die "Touris" schlapp lachen. Zehn Minuten bis zur Abfahrt und immer noch kein Gleis auf der Anzeige!

Also vielleicht noch kurz harnen vor der langen Fahrt? Bekanntlich sind Zug-Toiletten nicht nur in Frankreich nicht nur vom Edelsten. Also Klo. Kaum eine Überraschung, dass fürs Wasserlassen gelöhnt werden muss. Aber 50 Cents zahlt unser einer ja gerne für seit Dekaden nicht mehr gereinigte Pissoirs mit grosszügigem Einblick aus der Wartehalle. Inbegriffen im Preis auch ein Wasserhahn am Waschbecken mit solch urgewaltigem Druck, dass ein für peinliche Szenen sorgendes Nassspritzen der Schossgegend unvermeidlich ist. Was hier an Druck entwickelt wird, wünschte man sich in den Duschen Frankreichs!

Mit verdächtigen Flecken auf der Hose zurück unter der Anzeigetafel. Und da, das Gleis wird endlich angezeigt. Heureka! Horden von Menschen setzen sich in Bewegung Richtung des angezeigten Geleises. In meinem Fall war's schliesslich- wen mag's noch erstaunen - das weitmöglichst entfernte.

Auch sonst ist es um die Anzeige- und Beschilderungskultur an französischen Bahnhöfen schlecht, ja "misérable" bestellt. Die Schilder sind dünn gesät, meist in unaufdringlichen Farben gehalten und verschämt in kleinsten Grössen montiert. Bescheidenheit? Nein, pure Böswilligkeit der Touristenschar gegenüber! Der Bewerbung für die olympischen Spiele halber hat man sich nun aber doch durchgerungen, die nötigsten Schilder in deutlich sichtbaren Versionen kurzerhand und improvisiert über die alten Hieroglyphen zu pappen. Und - man mag's kaum glauben - das sogar noch mehrsprachig! Dem Franzos war's offensichtlich bierernst mit der Olympiakandidatur. Anders kann ich mir diese Serviceleistung beim besten Willen nicht erklären.

Sparsamkeit ist aber nicht nur in Sachen Beschilderung Trumpf. Auch Rolltreppen sind rar gesät. Insbesondere wenn es darum geht, die tief im Erdinnern vergrabenen "Métro"-Stationen mit den hämisch an der Erdoberfläche platzierten Bahnhöfen zu verbinden. Wozu denn Rolltreppen, wenn's auch normale Treppen tun? Es trifft ja nur die wenigen Reisenden, die mit ihrem Gepäck komfortabel reisen möchten. Und so muss man auf den steilen Betontreppen tief im Untergrund von Paris übelste Szenerien miterleben: alte Damen, die im Schweisse ihres Angesichts Koffer die Treppen hoch hieven, die weitaus grösser und schwerer als sie selbst sind, asthmatisch keuchende alte Rentner, die kaum die Stufen hochkommen, junge, fragile Damen mit Gepäck- und oder Kalorienüberschuss. Kümmert's den Franzmann? Nö!

Und so was will die Olympischen Spiele abhalten ... also bitte! Kein Wunder hat's so nicht gereicht, meine "lieben" Französinnen und Franzosen! Nun gut, solange Franzoseneltern weiterhin schöne Töchter auf die Welt setzen, die das gewisse "je-ne-sais-quoi" besitzen und den Charme von kessen Soziologiestudentinnen verbreiten, wollen wir gerade noch mal ein Auge zudrücken und belassen es angesichts dieser Zustände bei einer "carte jaune".

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