[Polemik] Vive la France?

Ja, die Franzosen! Die sind mir vielleicht ein Völkchen! Was hat die "grande nation" dieser bisweilen doch recht schönen Welt nicht alles Wunderbares geschenkt: das Stangenweissbrot mit dem adretten Namen "Baguette", einen klugen wie wortgewandten Kopf namens Voltaire und die Kühnheit, horrenden Alkoholkonsum unter dem Deckmäntelchen der täglichen Landesrituale "Apéritif", "Dîner" und "Digéstif" zu zelebrieren. Da setzen wir uns gerne einen Hut auf, um ihn demütig staunend vor dem frechen linksrheinischen Völkchen zu ziehen.

Alles zum Besten also im "Hexagon"? Von wegen, mitnichten, ja: i wo! Wer schon mal das ausserordentliche Pläsier hatte, als Zugreisender in Paris den Bahnhof wechseln zu müssen (und das hat jeder, der das Land des Zentralismus durchreisen will oder muss), der kennt die an Impertinenz grenzende französische Sitte, den Reisenden das Leben so schwer als nur möglich zu machen. "Ach, hörnse doch auf", hör ich die frakophile Brut schon wüten, "so schlimm kann das doch gar nicht sein!" Oh doch, es kann.

Der Preis bewusst Reisende muss sich für den Transfer zwischen zwei Pariser Bahnhöfen nämlich die "Métro" schnappen. Und für die "Métro" braucht's - so ist es Sitte und Brauch nicht nur in "Fronkreisch" sondern auch in der zivilisierten Welt - ein Ticket, oder wie das Franzosenvolk zu sagen pflegt: "un ticket". Und da fängt das ganze Schlamassel an. Gastfreundlich wie er ist, stellt der Franzmann dem von der strapaziösen Reise geplagten Fremdling nämlich nicht ein, nein sogar zwei bediente Ticketschalter hin. Was Wunder, dass sich hier zwei Schlangen bilden, so lange wie die Menschheitsgeschichte selbst. Schlimm, schlimm. Aber zum guten Glück gibt's ja noch ein halbes Dutzend Ticket-Automaten.

Nun besagt aber bekanntlich der erste Artikel der französischen Verfassung, dass immer (und ohne jede Ausnahme) höchstens einer der Métroticket-Automaten betriebsbereit sein darf. Und auch am "Gare de Montparnasse" wird die Verfassung selbstredend nicht gebrochen. Die verbliebenen Automaten werden jeweils entweder mit "ausser Betrieb" angeschrieben oder - noch perfider - entpuppen sich erst dann als defekt, wenn man sein extra für diese Gelegenheit aufgespartes Kleingeld in den gierigen Automatenschlund geworfen hat. So steht man sich deshalb auch als zukünftiger Ticketautomatenbenützer die Beine in den Bauch, bis man in der sich durchs ganze Gebäude schlängelnde Warteschlange an erster Stelle und endlich vor dem Automaten steht. Betriebspersonal, welches auch nur den Anschein macht, sich um das Problem zu kümmern? Fehlanzeige!

A propos Anzeige, hier hat sich in den Bahnhöfen eine weitere liebenswerte Franzmann-Marotte durchgesetzt. Im ganzen, grossen und von Menschen und Franzosen überfluteten Bahnhof gibt es genau eine - zugegebenermassen riesige - Tafel, auf der die Abfahrtsgleise dargestellt werden - und zwar im letztmöglichen Moment. So sammelt sich die ganze Leidensgemeinschaft unter der Tafel in banger Erwartung der Bekanntgabe der Gleise, während sich wahrscheinlich irgendwo hinter verspiegeltem Glas ein paar Franzosen schadenfroh über die "Touris" schlapp lachen. Zehn Minuten bis zur Abfahrt und immer noch kein Gleis auf der Anzeige!

Also vielleicht noch kurz harnen vor der langen Fahrt? Bekanntlich sind Zug-Toiletten nicht nur in Frankreich nicht nur vom Edelsten. Also Klo. Kaum eine Überraschung, dass fürs Wasserlassen gelöhnt werden muss. Aber 50 Cents zahlt unser einer ja gerne für seit Dekaden nicht mehr gereinigte Pissoirs mit grosszügigem Einblick aus der Wartehalle. Inbegriffen im Preis auch ein Wasserhahn am Waschbecken mit solch urgewaltigem Druck, dass ein für peinliche Szenen sorgendes Nassspritzen der Schossgegend unvermeidlich ist. Was hier an Druck entwickelt wird, wünschte man sich in den Duschen Frankreichs!

Mit verdächtigen Flecken auf der Hose zurück unter der Anzeigetafel. Und da, das Gleis wird endlich angezeigt. Heureka! Horden von Menschen setzen sich in Bewegung Richtung des angezeigten Geleises. In meinem Fall war's schliesslich- wen mag's noch erstaunen - das weitmöglichst entfernte.

Auch sonst ist es um die Anzeige- und Beschilderungskultur an französischen Bahnhöfen schlecht, ja "misérable" bestellt. Die Schilder sind dünn gesät, meist in unaufdringlichen Farben gehalten und verschämt in kleinsten Grössen montiert. Bescheidenheit? Nein, pure Böswilligkeit der Touristenschar gegenüber! Der Bewerbung für die olympischen Spiele halber hat man sich nun aber doch durchgerungen, die nötigsten Schilder in deutlich sichtbaren Versionen kurzerhand und improvisiert über die alten Hieroglyphen zu pappen. Und - man mag's kaum glauben - das sogar noch mehrsprachig! Dem Franzos war's offensichtlich bierernst mit der Olympiakandidatur. Anders kann ich mir diese Serviceleistung beim besten Willen nicht erklären.

Sparsamkeit ist aber nicht nur in Sachen Beschilderung Trumpf. Auch Rolltreppen sind rar gesät. Insbesondere wenn es darum geht, die tief im Erdinnern vergrabenen "Métro"-Stationen mit den hämisch an der Erdoberfläche platzierten Bahnhöfen zu verbinden. Wozu denn Rolltreppen, wenn's auch normale Treppen tun? Es trifft ja nur die wenigen Reisenden, die mit ihrem Gepäck komfortabel reisen möchten. Und so muss man auf den steilen Betontreppen tief im Untergrund von Paris übelste Szenerien miterleben: alte Damen, die im Schweisse ihres Angesichts Koffer die Treppen hoch hieven, die weitaus grösser und schwerer als sie selbst sind, asthmatisch keuchende alte Rentner, die kaum die Stufen hochkommen, junge, fragile Damen mit Gepäck- und oder Kalorienüberschuss. Kümmert's den Franzmann? Nö!

Und so was will die Olympischen Spiele abhalten ... also bitte! Kein Wunder hat's so nicht gereicht, meine "lieben" Französinnen und Franzosen! Nun gut, solange Franzoseneltern weiterhin schöne Töchter auf die Welt setzen, die das gewisse "je-ne-sais-quoi" besitzen und den Charme von kessen Soziologiestudentinnen verbreiten, wollen wir gerade noch mal ein Auge zudrücken und belassen es angesichts dieser Zustände bei einer "carte jaune".
AddThis Social Bookmark Button


Trackback URL:
https://gebsn.twoday.net/STORIES/843583/modTrackback

Trackbacks zu diesem Beitrag

soma - 26. Jul, 01:25

soma

Hi, buy tramadol buy diazepam viagra... [weiter]

Mehr Gebsn

Lieblingsworte (Wordie)
Fotos:
www.flickr.com
This is a Flickr badge showing public photos and videos from gebsn. Make your own badge here.
Impressum
Beiträge abonnieren Kontakt per E-Mail

Abonnieren

Beiträge per E-mail


Powered by FeedBlitz

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Aktuelle Kommentare

????
Heisst das, Du bist auf den Affen gekommen?
LD (Gast) - 23. Aug, 01:39
Danke, danke
Bis anhin ist alles noch ruhig.
gebsn - 28. Feb, 10:26
Yeah!
Wunderbare Nachrichten. Dann mal toitoitoi und möge...
spot (Gast) - 28. Feb, 09:05
Danke, danke
Soweit, ganz gut. Lustigerweise fuhren die Busse, als...
gebsn - 11. Nov, 00:24
Sehr geehrter Herr Gebsn
Ich hoffe, es geht Ihnen gut auf der Insel! Haben Sie...
Newzilla (Gast) - 10. Nov, 09:26

Archiv

Juli 2005
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
19
24
25
30
 
 

Credits


Allerlei
Blogstetten
Das Leben
Datenschutz
Fotos
Humor
London
London v Schweiz
Polemik
Politik
Postkarte aus England
Schimpfworte
Schnapssalat
Tipps
Zitat
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren