[Humor] WK-Bericht Teil I: Sonnencreme ist Sackbefehl

[Erste Veröffentlichung unter myblog.de/gebsn am 29. Mai 2005]

Wie geahnt stellte sich mein Dienst am Vaterland als "Schoggi-WK" heraus. Man könnte beinahe versucht sein, von einem Ferienlager mit Vollpension zu sprechen, wären da nicht die unchristlich frühe Weckzeit (Morgenessen: 06.30) und die Vierfrucht-Tarnklamotten.

Der Start in den WK (Wiederholungskurs) begann unter dunklen Vorzeichen: Es goss unermüdlich vom Himmel runter und ich hatte in Othmarsingen den stündlich verkehrenden Bus Richtung AMP (Armeemotorfahrzeugpark) verpasst. Und natürlich kam auch niemand vom AMP in Chaffeurdienstabsicht am nicht unwesentlich vom AMP entfernten Bahnhof Othmarsingen vorbei. Das lob ich mir: Die Fahrer per Schreiben zur Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels aufrufen und sie dann sprichwörtlich im Regen stehen zu lassen. Aber dem Gefreiten D., den ich bereits im Zug kennen gelernt hatte, und mir waren für unser Vaterland keine Kosten zu teuer und so besorgten wir uns auf privater Kostenbasis eine Taxe.

Den restlichen Montag verbrachten wir damit, unsere Fahrzeuge in Empfang zu nehmen und sie an unseren WK-Standort in Walenstadt zu verfrachten. Wahrlich ein gedrängtes Tagesprogramm. Ich hatte einen Seat Ibiza gefasst, der sogar mit Radio und Kassettendeck auftrumpfen kann. Für unseren Dienst ist der Seat aufgrund des spärlichen Platzangebots nur beschränkt geeignet, aber da es sich mit der Kiste ganz ordentlich und bequem fahren lässt, werde ich einen Teufel tun und mich darüber beschweren.

Grösste Sorge von Soldat R. aus unserem fünfköpfigen Fahrerteam war an diesem verregneten Montagnachmittag die Ankündigung des Feldweibels, dass es "nur" am Dienstag, Donnerstag und Freitag Ausgang geben würde. Kein Ausgang am Montag? Für R. brach eine Welt zusammen. Doch bald stellte sich heraus, dass seine Sorge völlig unbegründet war. Natürlich gab's auch am Montag Ausgang, was sollte man denn sonst tun? Und also wurde die "Bierhalle" besucht. Bierhalle? Noch nie wurde so gedankenlos und fälschlich eine winzige Restaurantstube mit ein paar wenigen Tischen und einem betrunkenen und einem schon um halb neun weggedösten "Indianer" (sehr träfe: Soldat M.) am Stammtisch als Bierhalle betitelt. Ein Hohn. Nach ein paar Bierchen und noch zu vormitternächtlicher Stunde machte ich mich denn auch mit ein paar Kameraden auf den Heimweg, während sich ein Détachement noch die Tabledance-Schuppen und "Kontakt-Bars" rekognoszierte. Dass ich bei der militärüblichen Dezibelgewaltigen Schnarcherei überhaupt in den Schlaf sinken konnte, lag wohl mehr an den gezischten Bierchen als am verrichteten Tageswerk. Leider sollte sich der allabendliche Bierkonsum zu einer festen Konstante entwickeln. Nicht zuletzt dank M., der jeden Abend aufmerksamem darüber wachte, dass auch alle genug Alkohol zu sich nahmen. Ansonsten gab's von M. einen strengen Rüffel und das nächste Bier vor die Nase gesetzt.

Am wunderbar sonnigen Dienstag zeichneten sich bereits gewisse feste Tagesabläufe und Verhaltensmuster ab. So konnte man sicher sein, dass "Bürohode" (für eine brauchbare Übersetzung ins Schriftdeutsche winkt von meiner Seite Ehrfurcht und Dankbarkeit) M. im Zweifelsfall tief schlafend und laut schnarchend im Zimmer aufzufinden war ... und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Soldat M. - schon jetzt eine Schlaflegende. Ich schwöre, er hat an mehreren Tagen vom Morgenessen bis Mittagessen und nach Speis und Trank wieder bis nach vier Uhr Nachmittags dem lieben Gott den Tag weggeschlafen.

Unser "Fäldi SteVau" (Stellvertreter der Feldweibels) war hingegen überall anzutreffen, nur nicht im "KP" (Kommandoposten, sozusagen das Sekretariat unserer Truppe), seinem Arbeitsplatz. Als Fahrerkollege M. dazu meinte, "dich sieht man auch immer nur in der Cafeteria oder beim Fressen", wusste dieser nicht faul zu entgegnen: "Musst halt mal ans Seeufer kommen". Das wunderschöne (Walen-) Seeufer (gerne auch "Strand" genannt) keine zwo Minuten von unserer Unterkunft entfernt hat's aber auch in sich. Idylle pur mit grüngrasigen Liegeflächen und Schatten spendenden Linden, die wir bei diesem Prachtswetterchen und angesichts der mangelnden Arbeit auch ausgiebig in Anspruch nahmen. Fahrer R. hatte es am Donnerstag auf sagenhafte sechs Stunden Sonnenbaden gebracht und kündigte am frühen Nachmittag mit bereits zünftig sonnenbestrahlter Birne an, er werde abends im "Tenue rot" zurückkehren.

Für den Mittwoch hatten der nämliche Fahrerkollege R. und ich einen Ausflug nach Chur geplant. Die Idee: zuerst auf der Panzerpiste ein wenig "Fahrschule" betreiben (fakultativ) und anschliessend durch Chur im "Tenue Turn" (Turnhosen und T-Shirt) flanieren und die von R. immer wieder hervorgehobene exzellente Frauen- und Restaurantquote zu geniessen (obligatorisch). Leider machte einer unserer "Duros" (der "Duro" ist ein mittelgrosser Mannschaftstransporter) uns einen Strich durch die Rechnung. Der "Schüttelbecher" (wiederum sehr träfe: M.) hatte nämlich Probleme mit dem Anlasser und musste deshalb beim nächsten AMP vorgezeigt werden. Nun gut, während zwei Fahrer dies erledigten, musste ich mich halt wieder an den "Strand" legen.

Abends nach dem im Filmsaal auf Grossleinwand genossenen Champions League-Final zeigte sich eine neben der obligaten Schnarcherei weitere unschöne Seite des Militärbetriebs. Im Flur empfing mich die geballte Kraft einer Legion von Schweissgeruch ausströmenden Stiefelpaaren. B- und C-Waffen-Konvention? Hier wird sie mit den Füssen getreten.

Am Donnerstagmorgen hatte ich die bis dahin strengste Arbeit zu verrichten: während knapp dreier Stunden musste ich die Unterkünfte des höheren Kaders auf Vordermann bringen. D.h. Betten machen für die faulen Herrschaften, Zimmer fegen, Lavabo putzen, Abfalleimer leeren etc. Von den drei Stunden blieb dann aber gar nicht viel übrig, denn schliesslich musste ich um "Null-Neun-Hundert" Fouriergehilfe F. und mich mit "meinem" Seat ins Dorf verfrachten, um dort in aller Ruhe die Kaffeepause zu zelebrieren. Eine weitere halbe Stunde quasselte mich der grauhaarige Abwart des Gebäudes, unter dessen Befehl ich stand, mit Klagen über seinen harten Alltag und der kaum vorhanden Zeit für all die viele Arbeit zu. Zuwenig Zeit? Ja, kein Wunder, Sie Plaudertasche! Aber mir sollte es ja recht sein, denn so konnte ich mir Einiges an Arbeit ersparen.

Am selbigen Morgen, kurz vor den Elfen, war der bereits oben beschriebene "Fäldi SteVau" nach durchzechter Nacht wach geworden und tippelte am putzenden Gebsn vorbei zur Dusche. Schliesslich stand ein Rendez-vous mit der brasilianischen Schönheit an, die er am Abend vorher im Table-Dance-Schuppen kennen gelernt hatte. Das traute Paar tauchte dann nicht wenig später am "Strand" auf, wo es von der nicht gerade minderzahligen Kameradenschar johlend begrüsst wurde.

Sonnenbadkönig und Fahrer R. war wenig später während des einmal mehr sehr schmackhaften Mittagsmahls (keine Ironie, unser "Küsche" (Küchenchef) ist der Bocuse der Militärkochkunst) sehr unruhig. Galt es doch noch eine Person für den Wachdienst zu bestimmen. Und er hatte bis dahin noch keine Arbeit gefasst. Sorgenfalten standen auf seiner Stirn, Kummer sprach aus seinen Augen. Kurz vor dem Dessert verkündete unser "Fäldi" aber, dass Schlaflegende M. für den Wachdienst bestimmt worden. Diese Erleichterung! Noch nie hat man so deutlich ein Stein von einem Herzen fallen sehen, wie in diesem Moment bei R. Hatte er doch noch für den Nachmittag mit Kollegen abgemacht, die ein Boot auf dem Walensee haben und ihn abholen sollten.

Dies also nur ein paar der Highlights der ersten WK-Woche. Wenn alles klappt, gibt's nächstes Wochenende an dieser Stelle die Fortsetzung der Geschehnisse aus meinen "grünen Ferien".

P.S. Lieber Herr Bundesrat Schmid und alle anderen Armeeverantwortlichen: Diese Ausführungen beruhen zwar teilweise auf Fakten, sind aber übertrieben, verzehrt und zugespitzt dargestellt. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und ungewollt.

Alle WK-Berichte:

WK-Bericht Teil I: Sonnencreme ist Sackbefehl
WK-Bericht Teil II: Der Feind kommt aus der Luft
WK-Bericht Teil III: Eat ice cream and give up guns!
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