[Politik] Atomkraft - nein danke!

"Wir können nicht ständig Glück haben, früher oder später kommt es zu einem ernsthaften Unglück."
(Aus dem internen Bericht zum schwedischen Atomkraftwerk Forsmark; gemäss BaZ von gestern)
Momentan wird ja wieder mächtig für die Atomkraft bzw. für den Bau von neuen Atomkraftwerken lobbyiert - hier in der Bloglandschaft wie in der Presse. Dabei hat insbesondere die FDP - wie so viele Parteien im In- und Ausland in letzter Zeit - ihr grünes Gewissen entdeckt und möchte deshalb neue Atomkraftwerke bauen, um die umweltverpestenden Gaskraftwerke zu verhindern. Nachhaltige Energiepolitik nennt dies die FDP.

Aber ich schweife ab, denn schliesslich soll es hier darum zu gehen, aus meiner Sicht darzulgegen, warum Atomkraft generell und der Bau von neuen Atomkraftwerken im speziellen keine Lösung ist - schon gar keine nachhaltige. Meine zwei Hauptargumente sind dabei die folgenden:

1. Risiko beim Betrieb ("GAU")

Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des so genannten "grössten anzunehmenden Unfalls" (GAU) mag verschwindend klein sein, aber das Risiko bleibt bestehen. Wo Menschen agieren, passieren Fehler. Angesichts der verheerenden Auswirkungen eines GAUs ist dieses Risiko nicht hinzunehmen. Der Reaktorunfall in Tschernobyl hat die Folgen eines GAU aufgezeigt. In der dicht besiedelten und kleinräumigen Schweiz dürften die Folgen jedoch noch viel verheerender sein. Für Deutschland prognostizierte eine Studie 1979 bis zu 14 500 Soforttoten und 104 000 späteren Todesfällen. Der Studie gemäss müssten bis zu 2,9 Millionen Menschen evakuiert werden. Gern vergessen wird, dass auch die Schweiz 1969 einen GAU hatte, der glücklicherweise glimpflich ablief.

Oft kommt von Seiten der Befürworter der zivilen Nutzung der Kernkraft der Einwand, das Risiko sei angesichts unserer hohen technischen Standards und Sicherheitsvorkehrungen eigentlich gar keines. Die häufigen Zwischen- und Unfälle sprechen aber eine andere Sprache. Fehler passieren überall, wo Menschen agieren. Die Gefahren, die Atomkraftwerken durch einen gezielten terroristischen Anschlag (z.B. per gezieltem Flugzeugabsturz) oder durch ein starkes Erdbeben drohen könnten, wollen wir hier nicht näher erörtern.

2. Endlagerung während Jahrtausenden

Bis heute gibt es auf der ganzen Welt noch kein Endlager für den strahlenden Atommüll. Aber es eilt auch nicht, denn bis die Radioaktivität von heute benutzten Brennelementen abgeklungen ist, werden noch Jahrtausende vergehen. Insofern muss man der FDP recht geben: Atomenergie ist durchaus nachhaltig. Schade nur, dass die Uranvorräte nicht annähernd so lange halten werden. Die optimistischen Prognosen sprechen (unter Einbezug von schwer zu fördernden Reserven und der Technik der "schnellen Brüter" von 1000 Jahren, Pessimisten gehen von weniger als 100 Jahren aus. Sprich: Generationen nach uns "dürfen" unseren strahlenden Müll verwalten, während sie kein bisschen von der Nutzung profitiert haben. Das heisst: Wenn sie dannzumals überhaupt noch wissen, wo der von uns entsorgte Atommüll lagert.

Diese zwei Gründe sind für mich derart schwerwiegend, dass es nur heissen kann: Atomkraft, nein danke! Denn Alternativszenarien, gemäss welchen weder neue Gas- noch Atomkraftwerke gebaut werden müssen, gibt es durchaus - sogar ohne dass gleich Wachstum oder Marktwirtschaft in Frage gestellt werden müssten.

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magenta (Gast) - 1. Feb, 08:51

Ich danke Ihnen herzlich für die Klarstellung, Herr Gebsn. Ich hatte schon langsam an mir gezweifelt.

Polissilop (Gast) - 1. Feb, 10:13

Vielleicht müsste man...

...die Atom-Lobby verpflichten ein Endmüll-Lager-Blog zu führen. Wenn die denn überhaupt dazu in der Lage sind.

gebsn - 1. Feb, 11:10

Unglaublich

Ältere Vorfälle der Art gibt's unter dem Link bei "Zwischen- und Unfällen" oben im Text. Man mag's gar nicht glauben.
wachovsky - 1. Feb, 21:36

Doch, doch

Komme mal zu Ihnen rüber. Ihre Schreckenszahlen in Ehren, aber das sind Böse-Wolf-Szenarien. In den letzten zweihundert Jahren, um auch mal mit Horrorzahlen rundumzuschlagen, sind im Kohlebergbau in Europa mehr Menschen umgekommen als durch Atomkraftwerke. Auch durch die beiden Weltkriege. Dass in den nächsten, sagen wir, dreissig Jahren mehr Menschen durch andere Menschen umgebracht werden, die Wahrscheinlichkeit ist grösser als ein Gau. Das Leben ist schrecklich. In der Tat. Das einzig wahrscheinliche Szenario, dass der Energieverbrauch deutlich runter geht, ist ein wirtschaftlicher Kollabs. Und Sie glauben es nicht, aber ich halte dieses Szenario derzeit für das Wahrscheinlichste. Und dann noch die Meldung des Tages, vielleicht haben Sie sie in der bz auch gelesen: Die Fischer wehren sich gegen den Bau eines neuen Flusskraftwerkes an der Birs. Es soll 500 Haushalte mit Strom versorgen. Also wenn gegen jede Art von Kraftwerk protestiert und sich eine Bürgerinitiative bildet - ja nu denn halt.
Also sparen wir etwas Strom und fahren den Computer runter.

gebsn - 1. Feb, 22:16

Schön, dass sie vorbeischauen

Das mögen Schreckenszahlen sein. Und ja, es mag Schlimmeres geben, schliesslich kann man alles relativieren und sterben müssen wir sowieso alle mal ... Mit diesem Argumentationsmuster macht man sich's aber meiner Ansicht nach zu einfach. Tatsache ist und bleibt: Die Atomkraft ist gefährlich und die Endlagerung ungelöst und eine Zumutung für die nachfolgenden Generationen. Wo Sie aber ganz recht haben: Stromsparen ist das a und o, deshalb werde ich mich mit diesen Ausführungen begnügen, damit ich auch baldig mein Rechnerchen runterfahren kann.

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