[Politik] Roger Köppel hat nichts gegen ein bisschen Folter - ich schon
"Die Welt"-Chefredakteur Roger Köppel, der Schweizer Leserschaft spätestens seit den Weltwoche-Zeiten ein Begriff, setzt sich in "seiner" Zeitung für Folter ein. Ausnahmsweise gibt's nachfolgend in ausführlicher Art und Weise massenweise Auszüge aus dem Artikel, geschmückt mit meinen unqualifizierten Kommentaren:
Ausserhalb des Rechts bewegen sich, werter Herr Köppel, auch Mörder, Erpresser, Diebe, Kiffer, Raser, Bettler etc. Muss sich die Rechtsordnung auch gegen diese Feinde schützen ... mit "Rückgriff auf Folterpraktiken", sprich: Folter? Bzw. wo sollen wir (ja, nicht "die Rechtsordnung", sondern wir) denn die Grenzen ziehen? Und ausserdem: es handelt sich jeweils um Terrorismus-Verdächtige, solange keine gerichtliche Verurteilung vorliegt. Aber zurück zu Roger:
Weiter geht es hier nicht um einen Widerspruch zu "einem zivilisiertem Staatsverständnis" sondern um konkrete Verletzungen der Bestimmungen der Strafgesetzbücher und des Folterverbots.
Wunderbar jedoch, dass "es Konsens ist", dass es für Freiheitsberaubung und Folter keine Rechtfertigung gibt. Aber haben wir denn wirklich einen Konsens? Nun, beinahe, denn einer schert schon wieder aus: Roger.
Und ist es denn tatsächlich die Realpolitik oder nicht etwa doch eher der Rechtsstaat mit seinen Gehilfen Polizei und Justiz, der uns schützen muss?
Und übrigens: Das Staatsoberhaupt als Souverän? Und ich dachte immer, das Volk sei der Staatssouverän. So kann man sich täuschen.
Aber sonst kann ich der Aussage Köppels nur zupflichten. Was sind demnach die Konsequenzen? Strafanzeige gegen "Condi"? Aber nein, im Gegenteil! Die "subalternen Folterwächter" brauchen lediglich genaue Regeln und das Plazet des Präsidenten, so die geniale Lösung von R. Köppel. Die allerdings nicht er ausbebrütet hat:
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Wie wird man Informationen von Terroristen erhalten, die sich bei einer Tasse Tee durch gutes Zureden nicht beirren lassen? Ist der Rückgriff auf Folterpraktiken in absoluter Weise zu verurteilen und zu bannen, selbst wenn es darum geht, daß sich eine Rechtsordnung gegen Feinde schützen muß, die sich außerhalb des Rechts bewegen?Sind das noch Suggestivfragen oder sind wir schon im Bereich der rhetorischen Fragen?
Ausserhalb des Rechts bewegen sich, werter Herr Köppel, auch Mörder, Erpresser, Diebe, Kiffer, Raser, Bettler etc. Muss sich die Rechtsordnung auch gegen diese Feinde schützen ... mit "Rückgriff auf Folterpraktiken", sprich: Folter? Bzw. wo sollen wir (ja, nicht "die Rechtsordnung", sondern wir) denn die Grenzen ziehen? Und ausserdem: es handelt sich jeweils um Terrorismus-Verdächtige, solange keine gerichtliche Verurteilung vorliegt. Aber zurück zu Roger:
Man sollte sich keinen Heucheleien hingeben. Im Bedrohungsfall hat noch jeder Rechtsstaat seine Normen außer Kraft gesetzt, um das Recht zu schützen.Recht ausser Kraft setzen, um Recht zu schützen also? Ganz genau. Selbstverständlich jedoch lediglich im "Bedrohungsfall". Dumm nur, dass wir ständig bedroht sind, was sag ich!: mitten im Krieg stecken. Gestern war's der Krieg gegen den Kommi, es folgte der Krieg gegen die Drogen. Heute: Krieg gegen den Terrorismus und morgen? Wer weiss, vielleicht Krieg gegen Pitbulls, notorische Falschparker und nervtötende Strassenmusikanten mit einem Repertoire unter fünf Liedern?
Die europäische, vor allem die deutsche Öffentlichkeit tendiert dazu, die Politik der Amerikaner zu verdammen. Es ist Konsens, daß es keine Rechtfertigung dafür gibt, mutmaßliche Bombenleger, Terrormoslems, verdächtige Personen in Gewahrsam zu nehmen und Verhörmethoden auszusetzen, die einem zivilisierten Staatsverständnis nicht entsprechen.Es spricht ein Meister der Euphemismen: "in Gewahrsam zu nehmen"? = Freiheitsberaubung! "Verhörmethoden auszusetzen, die einem zivilisierten Staatsverständnis nicht entsprechen" = Folter!
Weiter geht es hier nicht um einen Widerspruch zu "einem zivilisiertem Staatsverständnis" sondern um konkrete Verletzungen der Bestimmungen der Strafgesetzbücher und des Folterverbots.
Wunderbar jedoch, dass "es Konsens ist", dass es für Freiheitsberaubung und Folter keine Rechtfertigung gibt. Aber haben wir denn wirklich einen Konsens? Nun, beinahe, denn einer schert schon wieder aus: Roger.
Man beruft sich auf Kant, um an den Grundsatz zu erinnern, daß "die Politik jederzeit dem Recht angepaßt werden" muß, aber nicht umgekehrt das Recht der Politik. Interessanterweise belegt ein Blick auf die deutsche Geschichte, daß eine Verabsolutierung der von Kant formulierten Schönwetterdoktrin fatale Folgen haben kann.Vorrang des Rechts vor der Politik als "Schönwetterdoktrin"? Na dann gute Nacht, wenn Sturm aufzieht. Und wir ahnen schon, was uns Herr Köppel "mit Blick auf die deutsche Geschichte" verklickern will.
Der Untergang der Weimarer Republik war der Unfähigkeit dieses Staates geschuldet, seiner Feinde Herr zu werden. Man wirft den Alliierten bis heute vor, durch eine lendenlahme Appeasement-Politik den Aufstieg Hitlers befördert zu haben, anstatt ihn unter Verletzung völkerrechtlicher Prinzipien frühzeitig aus dem Verkehr zu ziehen.Foltern für "nie mehr Auschwitz"? Ein toller Vergleich. Aber Roger ist ja nicht der Erste, der auf diese Weise lästige Rechtsvorschriften zu umschiffen versucht. Man mag sich noch an den völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Krieg, Entschuldigung, an die "humanitäre Intervention in Jugoslawien" erinnern. Das man mit derlei Schwachsinn die Verbrechen der Nazis verharmlost, sein nur nebenbei bemerkt. Aber eigentlich hat's Roger ja gar nicht so gemeint, denn:
Natürlich läßt sich der Islamo-Nihilismus nicht mit den Begriffen des Weltbürgerkriegs zwischen Nationalsozialismus und Internationalsozialismus fassen.Eben, wer würde denn ... aber halt mal! "Weltbürgerkrieg zwischen Nationalsozialismus und Internationalsozialismus"? Ich zähle mich eigentlich zu den einigermassen gebildeten Leuten, aber von diesem Krieg hab ich meiner Lebtage noch nie gehört. Sind das neue Begrifflichkeiten, prophetische Gaben oder doch bloss irgendwelche im Wald gefundenen Pilze, die da aus Herr Köppel sprechen? Aber ich schweife ab, und das soll nicht sein. Also zurück zu unserem Vergleich, der ja eigentlich keiner ist. Oder doch?
Aber der Vergleich belegt, daß sich der aufgeklärte Diskurs über dieses Thema in einem offensichtlichen Selbstwiderspruch befindet. Rechtsordnungen müssen aus Selbstschutz ihre zivilisatorischen Standards unterschreiten, wenn es der Notfall erfordert.Ei, der arme Diskurs. Er befindet sich in einem Selbstwiderspruch. Vielleicht weil er zu "aufgeklärt" ist? Aber egal, denn was will uns Chefredaktor Köppel da verzapfen? Genau: Entführen und Foltern ja, aber natürlich nur "im Notfall".
Die Forderung nach einem totalen A-priori-Verzicht auf harte Verhörmethoden mag Ausdruck des reinen Gewissens sein. Sie taugt nicht als Maßstab für eine Realpolitik, die am Ende die eigene Bevölkerung vor Übergriffen schützen muß.Beim Folterverbot (resp. beim "totalen A-priori-Verzicht auf harte Verhörmethoden" ... ha, "Verzicht!", das tönt so schön nach Grosszügigkeit) geht es nicht um das "reine Gewissen", sondern um eine rechtsstaatliche Errungenschaft, die Herr Köppel offensichtlich so erringenswert nicht findet.
Und ist es denn tatsächlich die Realpolitik oder nicht etwa doch eher der Rechtsstaat mit seinen Gehilfen Polizei und Justiz, der uns schützen muss?
Das Problem liegt nicht darin, daß sich bedroht fühlende Gesellschaften aus Selbstschutz mit extremen bis widerrechtlichen Methoden zur Wehr setzen.Doch genau darin liegt das Problem. Auch wenn man sich "bedroht fühlt", sind widerrechtliche Methoden, sprich Folter, einfach nicht drin.
Das Problem liegt darin, wer die Verantwortung trägt für die Handlungen, die nicht rechtlich, nur politisch legitimiert werden können. Am Ende liegt diese Verantwortung beim Souverän, beim Staatsoberhaupt.Dieses "Problem" ergibt sich erst gar nicht, wenn man sich an das völkerrechtliche Folterverbot und die eigenen Gesetze hält. Und also nur Handlungen vornimmt, die nicht nur politisch, sondern auch rechtlich legitimiert sind - wie sich's für einen Rechtsstaat gehört.
Und übrigens: Das Staatsoberhaupt als Souverän? Und ich dachte immer, das Volk sei der Staatssouverän. So kann man sich täuschen.
Es kann nicht sein, daß eine amerikanische Regierung subalterne Folterwächter aburteilen läßt, wenn gleichzeitig eine Außenministerin händeringend die Praktiken verteidigt, die in einer Grauzone rechtsstaatlicher Normen liegen."In einer Grauzone rechtsstaatlichen Normen"? Das wäre dann wohl das Dunkelgrau namens Schwarz.
Aber sonst kann ich der Aussage Köppels nur zupflichten. Was sind demnach die Konsequenzen? Strafanzeige gegen "Condi"? Aber nein, im Gegenteil! Die "subalternen Folterwächter" brauchen lediglich genaue Regeln und das Plazet des Präsidenten, so die geniale Lösung von R. Köppel. Die allerdings nicht er ausbebrütet hat:
Der amerikanische Anwalt Alan Dershowitz hat es so formuliert: Extreme Verhörmethoden, Folterpraktiken können in extremen Fällen bewilligt werden, aber nur auf Veranlassung des Präsidenten. Er trägt die Verantwortung, wenn die Dinge außer Kontrolle geraten.Au ja, der Präsident entscheidet, wann gefoltert wird. Oder vielleicht der Papst, denn der ist sogar ganz unfehlbar und hat noch nie fälschlicherweise Massenvernichtungswaffen in anderen Staat vermutet oder Probleme mit Bretzeln gehabt. Und wenn bei den "extremen Verhörmethoden" die "Dinge ausser Kontrolle geraten", kann man ihn ja immer noch am Öhrchen zupfen. Oder ein bisschen foltern?
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In den Gehörgängen: Vandalism - Never Say Never
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gebsn - Freitag, 9. Dezember 2005, 13:18