[Das Leben] Gute Seele
Da kam ich letzte Woche matt und müde nach einem langen Arbeitstag nach Hause, legte feinsäuberlich Jacke und Tasche ab und schlurfe ins Schlafzimmer. Die Balkontür wollte ich aufreissen und der angestauten Miefluft mit einem anständigen "Stosslüften", wie's im Fachjargon so schön heisst, ein schnelles Ende bereiten
Doch was mussten meine schläfrig-trüben Äuglein auf dem Balkon erblicken, was? Meinen Gasgrill, wie er schwarz und glänzend über dem schmutzigen Betonboden thronte! Das ist nicht gut, gar nicht gut. Denn eigentlich sollte ja eine eigens dafür erstandene regensichere grüne Abdeckhülle den schwarzen Schelm verhüllen. Wo war sie abgeblieben, die unzuverlässige alte Vettel? Als ich auf den Balkon heraustrat, tat sich vor meinen Augen die ganze grausige Wahrheit auf: Drei Stockwerke weiter unten auf dem Dach des angrenzenden Ateliers lag schwerverletzt die Hülle, offensichtlich vom niederträchtigen Sturmwind überwältigt und niedergeschmettert.
Nachdenklich stieg ich das Treppenhaus herunter. War die Hülle überhaupt noch zu retten? Und wie würde ich sie wohl jemals wiedererlangen? Vielleicht mit einer waghalsigen Abseilaktion von einem Balkon im zweiten Stockwerk? Dafür müsste man aber mit Nachbarn in Kontakt treten, mit denen man bis anhin nicht mehr als ein gelegentliches Nicken im Flur ausgetauscht hatte. Verflixt! Eine knifflige Lage. Da öffnete sich die Tür im Stockwerk unter mir. Auftritt Frau A., die gute Seele unseres Hauses. "Herr Gebsn", spricht sie mich an. "Ihre Grillhülle liegt auf dem Dach des Ateliers. Gehen sie zu Frau C. im 1. Stock, von dort kommen Sie auf das Dach. Ich habe Frau C. schon gesagt, dass Sie kommen werden".
Was soll ich sagen, ich war überwältigt. Frau A. hatte alles schon eingefädelt, die gute Seele. Man kennt sie nicht anders: Immer hilfsbereit, immer freundlich. Da will ich auch geflissentlich darüber hinwegsehen, dass ich keine Ahnung habe, woher Frau A. weiss, dass es sich um meine Grillhülle handelte. Mein Balkon liegt über dem ihrigen, sie hat ihn noch nie betreten. Andererseits hatte sie während einer Ferienabwesenheit meinen Schlüssel zur gelegentlichen Leerung des Briefkastens erhalten. Da drängt sich doch … aber halt, hier soll niemandem nichts unterstellt werden. Vielleicht hat die gute Frau auch nur anhand der Faktenlage (Grillduft von oben, das einzige Stockwerk oberhalb meines Balkons ist grilllos) eins und eins zusammengezählt.
Ende gut, alles gut? Yessir! Die grüne Grillhülle hat sich gut von Sturz und Schock erholt und kämpft schon wieder unerbittlich gegen Wind und Wetter, um meinem Grill ein sorgenfreies Dasein und mir unbeeinträchtigtes Brutzelvergnügen zu ermöglichen. Und wenn ich ihr zuwinke, ja dann huscht dann und wann sogar wieder so was wie ein Lächeln über ihr Gesicht.
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In den Gehörgängen: Jan Delay - Mercedes Dance
Zuletzt gelesen: NZZ
Zuletzt geglotzt: nüscht
Aktuelles Lieblingswort: Knalltüte
Doch was mussten meine schläfrig-trüben Äuglein auf dem Balkon erblicken, was? Meinen Gasgrill, wie er schwarz und glänzend über dem schmutzigen Betonboden thronte! Das ist nicht gut, gar nicht gut. Denn eigentlich sollte ja eine eigens dafür erstandene regensichere grüne Abdeckhülle den schwarzen Schelm verhüllen. Wo war sie abgeblieben, die unzuverlässige alte Vettel? Als ich auf den Balkon heraustrat, tat sich vor meinen Augen die ganze grausige Wahrheit auf: Drei Stockwerke weiter unten auf dem Dach des angrenzenden Ateliers lag schwerverletzt die Hülle, offensichtlich vom niederträchtigen Sturmwind überwältigt und niedergeschmettert.
Nachdenklich stieg ich das Treppenhaus herunter. War die Hülle überhaupt noch zu retten? Und wie würde ich sie wohl jemals wiedererlangen? Vielleicht mit einer waghalsigen Abseilaktion von einem Balkon im zweiten Stockwerk? Dafür müsste man aber mit Nachbarn in Kontakt treten, mit denen man bis anhin nicht mehr als ein gelegentliches Nicken im Flur ausgetauscht hatte. Verflixt! Eine knifflige Lage. Da öffnete sich die Tür im Stockwerk unter mir. Auftritt Frau A., die gute Seele unseres Hauses. "Herr Gebsn", spricht sie mich an. "Ihre Grillhülle liegt auf dem Dach des Ateliers. Gehen sie zu Frau C. im 1. Stock, von dort kommen Sie auf das Dach. Ich habe Frau C. schon gesagt, dass Sie kommen werden".
Was soll ich sagen, ich war überwältigt. Frau A. hatte alles schon eingefädelt, die gute Seele. Man kennt sie nicht anders: Immer hilfsbereit, immer freundlich. Da will ich auch geflissentlich darüber hinwegsehen, dass ich keine Ahnung habe, woher Frau A. weiss, dass es sich um meine Grillhülle handelte. Mein Balkon liegt über dem ihrigen, sie hat ihn noch nie betreten. Andererseits hatte sie während einer Ferienabwesenheit meinen Schlüssel zur gelegentlichen Leerung des Briefkastens erhalten. Da drängt sich doch … aber halt, hier soll niemandem nichts unterstellt werden. Vielleicht hat die gute Frau auch nur anhand der Faktenlage (Grillduft von oben, das einzige Stockwerk oberhalb meines Balkons ist grilllos) eins und eins zusammengezählt.
Ende gut, alles gut? Yessir! Die grüne Grillhülle hat sich gut von Sturz und Schock erholt und kämpft schon wieder unerbittlich gegen Wind und Wetter, um meinem Grill ein sorgenfreies Dasein und mir unbeeinträchtigtes Brutzelvergnügen zu ermöglichen. Und wenn ich ihr zuwinke, ja dann huscht dann und wann sogar wieder so was wie ein Lächeln über ihr Gesicht.
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gebsn - Sonntag, 15. Oktober 2006, 09:51
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