[Politik] Staatsschutz: Eingeschränktes Auskunftsrecht ist verfassungswidrig
Im Rahmen der Veröffentlichung seines Tätigkeitsberichts hat der EDÖB, der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (wie der Eidgenössiche Datenschutzbeauftragte neu heisst) auf ein sehr interessantes (noch nicht publiziertes?) Urteil der Eidgenössichen Datenschutzkommission (EDSK) hingewiesen. Hier folgt gänzlich unkommentiert der entsprechende Auszug aus seiner Rede (Volltext als PDF). Verlinkungen und Anmerkungen in Klammern stammen von meiner Wenigkeit.
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Auf dem Gebiet des Staatsschutzes hat die EDSK kürzlich einen Grundsatzentscheid gefällt, der weit reichende Konsequenzen hat.Wenn schon Hampe nicht kämpfen mag, macht's wenigstens die EDSK. Gut so!
Zur Diskussion stand der Fall eines Bürgers, der gestützt auf Art. 18 BWIS über den EDSB hatte überprüfen lassen, ob im ISIS [Staatsschutz-Informationssystem, mehr Informationen in diesem Telepolis-Artikel] rechtmässig Daten über ihn bearbeitet werden.
Bekanntlich ist es dem EDSB nach erfolgter Prüfung der Staatsschutzakten nur erlaubt, dem Gesuchsteller in allgemeiner Form mitzuteilen, dass über ihn entweder keine Daten unrechtmässig bearbeitet würden oder dass er bei Vorhandensein allfälliger Fehler in der Datenbearbeitung eine Empfehlung zu deren Behebung an das Bundesamt gerichtet habe.
Nur ausnahmsweise darf der EDSB "der gesuchstellenden Person in angemessener Weise Auskunft erteilen, wenn damit keine Gefährdung der inneren oder äussern Sicherheit verbunden ist und wenn der gesuchstellenden Person sonst ein erheblicher, nicht wieder gutzumachender Schaden erwächst." Der EDSB hat bisher diese Ausnahmebestimmung im Sinne der Erläuterungen der Botschaft ausgelegt.
Die EDSK hat nun in einem Entscheid vom 15. Februar 2006, ausgefertigt am 23. Mai 2006, entschieden, dass Art. 18 Abs. 3 BWIS und seine Auslegung verfassungswidrig und nicht EMRK [Europäische Menschenrechtskonvention]-konform sei. Der EDSB wird künftig bei der Anwendung dieser Bestimmung die Auslegungsgrundsätze der EDSK berücksichtigen. Das bedeutet, dass er von dieser Ausnahmebestimmung vermehrt Gebrauch machen wird.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass der EDSB stets auf die erheblichen Schwächen dieses so genannten indirekten Auskunftsrechts hingewiesen hat und eine Verbesserung forderte.
Dieser Eindruck wird nun von der EDSK im gleichen Entscheid gestützt. Sie kam nämlich zur Auffassung, dass die Ausnahmeregelung von Art. 18 Abs. 3 BWIS derart irrational und zweckwidrig sei, dass sie offensichtlich dem EDSB keine vernünftige, dem Grundrechtsschutz und den Zwecken von Art. 1 BWIS Rechnung tragende Praxis erlaube. Die Kommission verlangt unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des EGMR [Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte] in jenen Fällen, wo aus Gründen der öffentlichen Sicherheit Personendaten geheim bearbeitet werden, ein wirksames Rechtsmittel. Ein solches stehe im BWIS nicht zur Verfügung, weshalb der Bundesgesetzgeber dringend aufgefordert wird, "die EMRK-rechtlich höchst bedenkliche Regelung von Art. 18. Abs 3 BWIS zu korrigieren". Die Kommission stellt ausserdem fest, dass das BWIS in den Abs. 1 und 2 des gleichen Artikels kein EMRK-konformes "wirksames Rechtsmittel" im Sinne von Art. 13 EMRK vorsehe, was ebenfalls durch den Gesetzgeber zu korrigieren sei.
In diesem Befund wird die EDSK nun durch einen neuen Entscheid des EGMR vom 6. Juni 2006 bestätigt: In einer Streitsache gegen den schwedischen Staat wird nämlich festgestellt, dass Schweden, welche im Bereiche des Staatschutzes ein mit unserem Recht vergleichbares Prüfverfahren kennt, keine wirksames Rechtsmittel im Sinne von Art. 13 EMRK habe.
Der Gesetzgeber ist somit aufgefordert, im kommenden Revisionsvorhaben dem Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger höchste Aufmerksamkeit zu schenken und eine verfassungs- und EMRK-konforme Regelung vorzusehen. Ich werde mich mit diesem Entscheid im Rücken für eine Verbesserung des Rechtschutzes einsetzen und dieses Gesetzesvorhaben - wie bisher - sehr kritisch begleiten und mich für eine einwandfreie rechtsstaatliche Lösung stark machen.
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gebsn - Freitag, 7. Juli 2006, 10:40
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