[Polemik] Sonnenstrahl ist Pendlerqual
Im Frühtau zu Berge zieht sie wieder, fallera, die fröhliche Wandervögelschar. Kaum locken frühlingshafte Temperaturen, kaum lachen kleine Sönnelein von der Wettervorhersage, kaum ziehen die Schwalben übers Land, da legen sie wieder ganze Verkehrsachsen lahm. Millionen, ach was!, Fantastilliarden von grau- bis nullhaarigen Wanderwahngeplagte stürmen die Bahnhöfe unserer Städte und Dörfer. Ganz zum Leidwesen der gequälten Pendlerseele. Schon von weitem sind frühmorgens auf dem Perron die grauenerregenden Alarmzeichen zu erkennen: Geschwulstartige Gruppierungen von rüstigen Rentnerinnen und Rentnern wabbern in den Wartehallen, versperren den Gehetzten und Eiligen bereitwillig den Weg. Kurzbehoste, mit Wanderschuhwerk, kecken Hütchen und Old-School-Sonnenbrillen ausgerüstete Alterchens rufen nervös ihre Gruppen zusammen. Wo ist bloss Hans-Ruedi, der Zug fährt doch schon in 34 1/2 Minuten!
Der Rest der Truppe blockiert unterdessen wehrhaft (wie weiland im grossen Krieg) die Zugseingänge oder hat in den Zugsabteilen bereits die Mehrheit der verfügbaren Plätze erfolgreich okkupiert. Hilfsbereite junge Männer müssen zentnerschwere Rucksäcke von Wanderdamen auf die Ablage wuchten und dabei die hämischen Kommentare der neidgeplagten Silberfüchse erdulden. Und ist der Rucksack mit schweisstreibender Arbeit erst mal hoch gehievt, muss er stante pede wieder runtergeholt werden. Denn - natürlich, ha, ha, ha - hat das rüstige Ruthli ihre Fahrkarte im Rucksack vergessen. Und mit dem Vorweisen der Fahrscheine ist ja schon innert Stundenfrist zu rechnen!
Wer trotz der grauen Invasion in Batallionsstärke einen Sitzplatz gefunden hat, kann von Pech reden. Denn nun muss er die jeder menschlichen Natur und der unchristlichen Tageszeit widerstrebende, laute Fröhlichkeit des Pensionärengesindels ertragen. Gebenedeit sei der Herr für die Erfindung von Walkmans, iPods und Konsorten. Wer nicht mit diesen technischen Errungenschaften gesegnet ist, muss nun endlos scheinende Minuten hochkarätiger Konversation über das Wetter (Ja, ja, das Wetter! Fast so verrückt wie 1956, als wir mit … wer war's? Sepp? ... etc. pp.), über die letzen Zipperlein und über das letzte feine Reislein (i.e. das von gestern) tapfer erdulden. Und kaum hat sich der Zug ruckelnd in Bewegung gesetzt, heisst es: Mutter, hol mal die Brote aus dem Rucksack! Der junge Mann wird dir doch sicher rasch den Rucksack ... Wird er. Mit gequältem Lächeln und mörderischen Gedanken in seinem pochenden Schädel. Doch Rettung naht in Form des Pendlerreiseziels. Hochjauchzend und frohlockend steigt, hüpft der Pendler aus dem Zug. Noch nie war die Vorfreude auf das mausgraue Büro so gross.
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In den Gehörgängen: Bloc Party - Helicopter (2006 Diplo Remix)
Zuletzt gelesen: BaZ
Zuletzt geglotzt: 10 vor 10
Aktuelles Lieblingswort: Sottise
Der Rest der Truppe blockiert unterdessen wehrhaft (wie weiland im grossen Krieg) die Zugseingänge oder hat in den Zugsabteilen bereits die Mehrheit der verfügbaren Plätze erfolgreich okkupiert. Hilfsbereite junge Männer müssen zentnerschwere Rucksäcke von Wanderdamen auf die Ablage wuchten und dabei die hämischen Kommentare der neidgeplagten Silberfüchse erdulden. Und ist der Rucksack mit schweisstreibender Arbeit erst mal hoch gehievt, muss er stante pede wieder runtergeholt werden. Denn - natürlich, ha, ha, ha - hat das rüstige Ruthli ihre Fahrkarte im Rucksack vergessen. Und mit dem Vorweisen der Fahrscheine ist ja schon innert Stundenfrist zu rechnen!
Wer trotz der grauen Invasion in Batallionsstärke einen Sitzplatz gefunden hat, kann von Pech reden. Denn nun muss er die jeder menschlichen Natur und der unchristlichen Tageszeit widerstrebende, laute Fröhlichkeit des Pensionärengesindels ertragen. Gebenedeit sei der Herr für die Erfindung von Walkmans, iPods und Konsorten. Wer nicht mit diesen technischen Errungenschaften gesegnet ist, muss nun endlos scheinende Minuten hochkarätiger Konversation über das Wetter (Ja, ja, das Wetter! Fast so verrückt wie 1956, als wir mit … wer war's? Sepp? ... etc. pp.), über die letzen Zipperlein und über das letzte feine Reislein (i.e. das von gestern) tapfer erdulden. Und kaum hat sich der Zug ruckelnd in Bewegung gesetzt, heisst es: Mutter, hol mal die Brote aus dem Rucksack! Der junge Mann wird dir doch sicher rasch den Rucksack ... Wird er. Mit gequältem Lächeln und mörderischen Gedanken in seinem pochenden Schädel. Doch Rettung naht in Form des Pendlerreiseziels. Hochjauchzend und frohlockend steigt, hüpft der Pendler aus dem Zug. Noch nie war die Vorfreude auf das mausgraue Büro so gross.
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gebsn - Donnerstag, 4. Mai 2006, 22:37