[Allerlei] Black 'n' Blond = Dräck und Schund? – Eine Kritik

Black 'n' Blond = Dräck und Schund? Nun, soweit würde selbst ich nicht gehen. Aber enttäuscht war ich von der Premiere der "Late Night made in Schwyzerland" (so die Ansage) schon. Meine Erwartungen an die Sendung waren wie angekündigt nicht sehr hoch angesetzt, aber trotzdem hat die Sendung diese noch spielend unterschritten. Grund dafür waren nicht primär die Scherze auf Pennälerniveau, die sich grossmehrheitlich um das Thema Sex drehten (das war schliesslich zu erwarten), sondern die verkrampfte Atmosphäre, in welcher Chris von Rohr und Roman Kilchsperger kaum je zu ihrer Form oder Schlagfertigkeit fanden. Aber der Reihe nach:

Nackter Hinterteil für eine Handvoll Lacher

Schon zu Beginn der Sendung machte Roman Kilchsperger im Stand-Up-Teil klar, wie hoch die "Latte" (hahaha!) für die Sendung zu legen sei. Ziemlich tief nämlich, wie Chris von Rohr wenig später bestätigte, als er sein Hinterteil für ein paar billige Lacher entblösste. Ob von Rohr damit die Herzen des Studiopublikums gewonnen hat, wie SF DRS behauptet, mag umstritten sein, dass damit die Herzen des Fernsehpublikums gewonnen wurden, mag ich stark bezweifeln.

Kurzer Abstecher über die Gürtellinie …

Es folgten zwei über weite Strecken humorfreie Beiträge. Zuerst wurde über von Rohrs und Kilchspergers "Fun"-Tennismatch gegen Patty Schnyder berichtet. Hätte man sich sparen können. Im zweiten Beitrag wurden verdienstvollerweise Benni "National" Thurnheers Aussetzer in der Sportberichterstattung (im Länderspiel Irland-Schweiz bezeichnete er Schiedsrichter Markus Merk als "Merkel") und in der Abendunterhaltung (in "Benissimo" zählte Benni Liechtenstein fälschlicherweise zu den EU-Ländern) thematisiert. Wer regelmässig die phasenweise derilierenden bis grenzdebilen Kommentare von Benni "National" bei Fussballspielen über sich ergehen lässt resp. lassen muss, der ahnt, dass aus diesem Fundus auch in Zukunft noch reichlich geschöpft werden kann.

… aber nicht für lange

Nachdem dabei tatsächlich für längere Zeit mit Scherzen über der Gürtellinie operiert wurde, musste natürlich schnellstens wieder in den trüben Tümpeln des Humors nach Gags gefischt werden: Der bemitleidenswerten Requisiteurin wurden Vorschläge für ein Tattoo über dem Steiss, sprich "Arschgeweih", präsentiert. Mit dem Strassensignal "Achtung, verengte Fahrbahn" machte schliesslich der "lustige" Vorschlag von von Rohr das Rennen.

"Mutti" ist die beste

Dass dann der "CEO der Neohippies" im nächsten eingespielten Beitrag verlauten liess, er hasse "Sauglattismus auf Programm", kann angesichts der Vorleistungen in der Sendung nur noch als blanker Hohn, im besten Fall als kompletter Mangel an Selbstreflektion bezeichnet werden. Anlass für die Aussage bot das kleine Quartierfest, bei welchem der Travestie"künstler" "Mutti" sein Können als Sänger(in) zum Besten gab und sich damit für die Rubrik "Publikumsliebling des Jahres" bewarb. Eine ausgezeichnete Gelegenheit für das Moderatoren-Duo, mit spontanen Sprüchen und hämischen Kommentaren vor Ort über Bleibe, Aussehen und Darbietung von "Mutti" herzuziehen. Dass die besten Sprüche dabei vom schlagfertigen "Mutti" selbst stammten, war bezeichnend für die ganze lahme erste Sendung.

Star"gast"

Anschliessend wurde "Stargast" Martina Hingis auf die Bühne resp. auf’s Sofa gebeten. Mir ist unverständlich, wieso für die erste Sendung nicht ein bekannter Komiker wie Marco Rima oder Victor Giaccobo eingeladen wurde. Die hätten wenigstens die letzten Minuten der Sendung noch retten können. Die arme Martina Hingis hingegen musste sich peinliche Fragen und Scherze zu ihrem Single-Zustand anhören und mit Chris von Rohr mitraten, welcher Tennisspielerin der akustisch ohne Bild eingespielte Stöhner zuzuordnen sei. Kann man dieses Niveau noch unterbieten? Man kann! Denn als letzter Stöhner wurde – wie witzig und originell – ein Stöhner aus einem Porno eingespielt (Chris von Rohr: "Da muss noch ein anderes Racket im Spiel sein") und die optische Auflösung gleich nachgereicht. Die sichtlich peinlich berührte Frau Hingis musste weiter leiden und sich entscheiden, wer von den zwei Moderatoren wohl der bessere Liebhaber sei. Da halfen alle Versuche, sich aus der peinlichen Frage rauszureden, gar nichts. Roman Kilchsperger liess nicht locker und bescheinigte dem aussageunwilligen "Gast": "Tu nicht so kompliziert. Kein Wunder, hast du keinen Freund". Ja, wer hätte sich da als Gast nicht pudelwohl gefühlt?!

Kurz: das ging in bzw. – hahaha – aus der Hose

Dann endlich war’s vorbei und es gibt zu vermelden: Humor, der grösstenteils nicht mal das RS-Kasernenniveau erreicht, fehlende Spontaneität, Überraschendes oder Originelles? Fehlanzeige! Man verstehe mich nicht falsch, ich stehe durchaus auf derben Humor, und der darf auch gerne unter der Gürtellinie platziert sein. Aber auf die Dauer sind die nicht sehr originellen Sex-Witzeleien der Herren Black 'n' Blond nur ermüdend. Es ist zu hoffen, dass sich die zwei noch steigern, denn auf den Mund gefallen sind sie beide nicht und Entertainer-Qualitäten sollten zumindest in Ansätzen auch vorhanden sein. Nur mit anständigen Gags müsste man die beiden versorgen.

Vorschlag 1: Vernünftige Gagschreiber

Ziemlich sicher hätten sich deshalb die zu Beginn der Sendung erwähnten 200'000 Franken für einen vernünftigen Gagschreiber resp. ein entsprechendes Team gelohnt. Billiger ginge es nach dem System, welches SAT1 für die Harald Schmidt Show eingeführt hatte: Über das Internet kann Krethi und Plethi eigene Gag-Vorschläge zu bestimmten Themen einreichen, die besten werden ausgestrahlt und prämiert.

Vorschlag 2: Gäste hegen und pflegen

Hier noch ein paar weitere Vorschläge für lau von einem, der zwar beruflich aber auch gar nichts mit dem Metier zu tun hat, aber durch regelmässigen, seien wir ehrlich: übermässigen Konsum von Late Night Shows wie die von Harald Schmidt, Stefan Raab, Conan O’Brien oder Jay Leno doch ein wenig Ahnung hat, was bei anderen Late Night Shows funktioniert.

Beispielsweise hat es sich bewährt, die Gäste witzige Anekdoten aus ihrem Leben erzählen zu lassen anstatt sie mit unangenehmen Fragen zu drangsalieren. Eine Binsenwahrheit, die anscheinend nicht bis zu Black 'n' Blond durchgesickert ist. Insbesondere in der Schweiz mit ihrer überschaubaren Promi- und Semiprominenzdichte sollte man seine Gäste hegen und pflegen und nicht vergraulen. Ausser natürlich man will - wie in der legendären Viva-Sendung "Vivasion" von Stefan Raab - nur Gäste, die so verzweifelt sind, dass sie für ein wenig "Publicity" in wirklich jede Sendung gehen. Die kann man dann auch entsprechend behandeln.

Vorschlag 3: Auf's Sofa

Und warum, in Herrgottsnamen, sitzt eigentlich Chris von Rohr mit seinem plunderübersäten Tisch meilenweit von Kilchsperger und dem Gästesofa weg? Nur weil es sich beim "Sidekick" von Harald Schmidt bewährt hat, ist es noch lange kein Patentrezept. Bei Harald Schmidt ist die Platzierung sozusagen historisch gewachsen und deshalb nicht tel quel auf andere Sendungen übertragbar. Wenn man Chris von Rohr aufs Sofa setzen würde (wie früher "Sidekick" Andy Richter bei Conan O’Brien), würde dies meiner Meinung nach gemütliche Plauderei und witzigen Schlagabtausch nur fördern.

Berichte gibt's auch im Blick, beim "Tagi" und bei TVMatrix.

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