[Politik] Dank 2. Weltkrieg vom Faschismus befreit?

Wenn meiner einer als eingefleischter Pazifist in der wirklichen oder der virtuellen Welt mit Befürwortern der Notwendigkeit von Kriegen diskutiert, dann fällt irgendwann bestimmt das Argument, dass wir nur dank des zweiten Weltkriegs vom Faschismus befreit worden sind. Mit diesem Argument konnte ich mich noch nie anfreunden, aber es in vernünftigen Worten zu widerlegen, das wollte mir bisher nie zufriedenstellend gelingen.

Was macht man in einem solchen Fall? Richtig, man sucht im Internet, ob irgendjemand diese Arbeit bereits geleistet hat. Und siehe da, ich wurde fündig. Und zwar auf der Seite der AG Friedensforschung der Uni Kassel. In einem ausgezeichneten Beitrag widerlegen Andreas Buro und Arno Klönne die Ansicht, dass der Faschismus nur militärisch besiegt werden konnte. Hier die abschliessende Zusammenfassung aus dem Beitrag (voller Text unter http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Pazifismus/buro.html):

  • Der Zweite Weltkrieg wurde zur Wahrung vermeintlicher nationaler und zur Durchsetzung imperialer Interessen geführt. Im militärischen Kampf wurden die faschistischen Staaten besiegt. Eine pazifistische Politik zur Verhinderung oder Eindämmung des Faschismus wurde nicht entwickelt und praktiziert. Der geschichtliche “Fall” lässt deshalb keine Schlussfolgerungen über die Chancen pazifistischer Konzepte präventiver Konfliktbearbeitung und der Vermeidung gewaltsamer Konflikte zu.
  • Die Kriegsteilnahme der Alliierten war weder in der Absicht zur Rettung der vom deutschen Faschismus in ihrer Existenz bedrohten Juden und anderer Bevölkerungsgruppen, noch in dem Willen zur Befreiung der Völker von ihren faschistischen Regimes begründet. Es ging teils um militärische Verteidigung, teils um die Niederwerfung des konkurrierenden Machtblocks im Kampf imperialistischer Mächte. Hier kämpfte also nicht das “Gute” gegen das “Böse”.
  • Die Niederlage der faschistischen Achsenmächte bewirkte keineswegs eine pazifistische Umorientierung der Gesellschaften. Da der Krieg bestehende Gegensätze nicht gelöst hatte, kam es im West-Ost-Konflikt zu neuen gewaltträchtigen Zuordnungen Deutschlands (und Italiens) zu NATO und Warschauer Pakt. Diese Blöcke bedrohten sich gegenseitig mit atomarem Overkill und führten Stellvertreterkriege. Auch das Wettrüsten im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg gibt keine Aufschlüsse über Chancen einer pazifistischen Alternative, da diese von keiner Seite versucht wurde. Es führte aber zu extremen Bedrohungssituationen und zur weltweiten Vergeudung von Ressourcen.
  • Um noch einmal zur Ausgangsfrage zurück zu kommen: Stellt die Auseinandersetzung zwischen den Alliierten und der faschistischen Koalition im Zweiten Weltkrieg historisches Beweismaterial dar für eine Notwendigkeit heute, weltweit militärische Interventionen vorzunehmen und pazifistische Politik abzulehnen? Die Motive, Abläufe und Folgen des Zweiten Weltkrieges bieten in ihrer historischen Realität keine Begründung für die gedankliche, zeitlose oder aktuelle Konstruktion eines “Gerechten Krieges”. Sie lassen sich auch nicht als Wertmaßstäbe heran ziehen für die weltpolitische Situation, in der heute über “präventive” Militärpolitik zu urteilen ist. Im Zweiten Weltkrieg hatten die Alliierten den militärischen Angriff der faschistischen Achsenmächte abzuwehren. Diese Aggression ging aus dem verhängnisvollen Grundmuster von Weltpolitik hervor, von dem auch die Westmächte und die UdSSR geprägt waren: Krieg als Mittel globaler Umverteilung von Macht. Der Zweite Weltkrieg stand in der historischen Kontinuität brutaler militärischer Interessendurchsetzung. Dass pazifistische Politik nicht einmal versucht wurde, war Teil des internationalen Kontextes, aus dem der Faschismus heran wuchs.
  • Pazifismus ist kein kurzfristig wirkendes Wundermittel, um aufeinander zu rasende Militärzüge noch vor dem Zusammenprall zu stoppen. Pazifistische Politik ist langfristig angelegt und anzulegen. Sie zielt graduelle Erfolge an, nutzt aktuell bestehende Spielräume. Aber sie hat nicht weniger im Sinn als einen Bruch mit jenem kriegerischen Grundmuster von Politik, das immer noch als Normalität gilt. Pazifisten meinen: Eines Tages werden Menschen nicht mehr verstehen, wieso ihre Vorfahren so töricht waren, sich in Kriegen gegenseitig umzubringen und global die Lebensgrundlagen zu zerstören.


(Volltext unter http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Pazifismus/buro.html)

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