[Humor] In the Badi Now

Meine Ferien habe ich diese Woche angesichts des spät aber doch noch aufgetauchten Sommerwetters zu einem grossen Teil in der nahen "Badi" (öffentliches Aussenschwimmbad) verbracht. Liebenswert an "meiner" Badi ist nicht nur, dass die Liegewiese mehr oder weniger natürlich und mit vielen Schatten spendenden Bäumen ausgestattet ist, nein, nein, auch die Besucherschaft hält sich in erträglichen Grenzen. Beste Voraussetzungen also, sich in aller Ruhe die Sonne auf den Ranzen scheinen zu lassen, Bücher zu lesen, die sich seit Äonen ungelesen im Bücherregal nicht nur befinden sondern sogar stapeln, und den einen oder anderen Blog-Text mit schnödem Kugelschreiber auf geduldigem Papier zu entwerfen (wie z.B. diesen hier).

Wunderbar am Badileben ist bereits das Hintergrundgeräusch, welches beinahe an das meeresstrandidyllische rankäme, fehlte nicht das beruhigende Element der heranrückenden, brechenden und sich wieder entfernenden Wassermassen. Und gut, die gelegentliche Bautätigkeitsgeräusche sowie das Verkehrsrauschen der Hauptstrasse in Hörweite muss ignoriert und verdrängt werden. Aber ansonsten paradiesische Verhältnisse für Lauscher und Seelenheil: Zartes Blätterrascheln aus den Baumwipfeln, fernes Kindergeschrei, an- und abschwellendes Duschengeprassel und heiteres Vogelgezwitscher hie, liegestuhlaufstellbedingtes Rentnerkeuchen da. Alles in allem: Über allen Wipfeln herrscht Ruh'. Gefürchtet ist bei allen Stammgästen deshalb das Auftreten einer ganz gemeinen Plage: die Schulklassen. Vorbei ist's mit der gesegneten Ruhe. Lärm, Geschrei, Herumtollerei sind in der Folge zu ertragen, gerne prallen dem ahnungslos liegenden Badegast auch Fussball, Football oder Frisbees an die Birne. "Achtung!", heisst's da gerne eine Nanosekunde vor Einschlag und das im Vorbeirennen gelogene "Entschuldigung" kommt selten glaubwürdig rüber. Aber glücklicherweise ist der Aufenthalt der in Schulklassen hergelotsten Tunichtgute, Taugenichtse und Tagediebe regelmässig von kurzer Dauer.

Was macht man, wenn's unter der gelben Frühherbstsonne zu heiss wird, sich gar die ersten Schweissbächlein im Bauchnabel zum Salzsee finden? Dann natürlich ist es Zeit für eine adrette Abkühlung. Und die findet sich wenige Schritte quer über die Liegewiese und den kleinen Abhang hinunter in Form von (geschätzte) 1 Kelvin "warmen" Duschen und dem deutlich angenehmer temperierten Schwimmbecken. Leider habe ich ja seit meinen zu recht als unterdurchschnittlich bewerteten Schwimmbemühungen in der Mittelstufe nie mehr richtig geschwommen. Auch heute noch präferiere ich das Planschen und meide das Schwimmen, wo es nur geht. Aber diese Ferien habe ich mich langsam wieder an das Schwimmen rangetastet. Sehr langsam. Mit zwei Längen habe ich begonnen. Und auch geendet. Schon nach der Hälfte der ersten Länge brannte die schwächliche Armmuskulatur bitterlich, mit meiner kreuzfalschen Atemtechnik prustete und pflügte ich mich durch das Wasser. Und wurde dabei spielend von allen Mitschwimmern überholt. Hinter mir lassen konnte ich nur gerade die Omas, die ihre Köpfe hoch aus dem Wasser strecken, um ihre violett gefärbten und toupierten Haare nicht zu gefährden - bis dann diese Anstrengungen jeweils durch eine gezielte Penäler-Arschbombe zunichte gemacht werden. Nein, das Wasser ist nicht mein Element.

Aber die Badi ist nicht einfach nur Vergnügungsoase, Schwimm- und Sonnenparadies, nein, hier tummeln sich köstliche Figuren, die schon jahrelang als Stammgäste ihre festen Stammliegeplätze haben und nützen. Man kennt und grüsst sich, es haben sich zarte Badi-Freundschaften entwickelt. Es wird angeregt über Wetter, aktuelles Mittagsmenü ("Spaghetti hatte ich gestern, heute nehme ich den Wurstsalat" - "Mit Pommes?" - "Natürlich mit Pommes!") und die bevorstehenden Schwimmleistungen palavert. "Herr Liegestuhl" ist so ein Stammgast. Seinen kurz getrimmten Vollbart unter der Baseball-Mütze und den Rest seines für sein Alter irgendwo im Niemandsland zwischen 50 und 60 gut erhaltenen Körpers in den blauweiss gestreiften Badehosen trägt er täglich in die Badi. Dabei hat er seine Liegenstuhlposition perfektioniert. Die Rückenlehne im 60-Grad-Winkel aufgerichtet, beobachtet er das Geschehen, die Arme immer lässig, ja fast schon gutherrenmässig, hinter dem Kopf verschränkt. Aus einem Gespräch zwischen "Herr Liegestuhl" und einem gleichaltrigen Mitstammgast mit astreiner Pilotensonnenbrille durfte ich erfahren, dass "Herr Liegestuhl" auch an diesem Tag - klar! - schon kurz nach Badiöffnung um zehn Uhr eingetrudelt ist, denn früher macht die Badi "ja gar nicht auf". Vorher war er, wie er "Pilotenbrille" erklärte mit Bartstutzen beschäftigt. "Pilotenbrille" nicht faul: "Die Haare würden's auch vertragen". Ich sag euch, meine Contenance ist King! Denn als schliesslich noch detailliert die Vor- und Nachteile der Ohren- und Nasenhaarentfernung diskutiert wurden - und das knappe zwei Meter neben mir - konnte ich mir das Kichern kaum noch verkneifen.

Von den alteingesessenen Stammgästen, meist im fortgeschrittenen Alter, kann man aber auch einiges lernen. Zum Beispiel wie man einen Tag in der Badi möglichst komfortabel geniesst. Grundausrüstung ist natürlich ein bequemer Liegestuhl, der gerne mit einem kleinen Wägelchen herbeigekarrt wird. Fundamental auch ein ausgiebiges Sortiment an Badetücher. Wer nur mit einem Badetuch einläuft, outet sich sofort als blutiger Anfänger. Schliesslich werden mindestens drei Tücher als Schweiss auffangende und Komfort steigernde Unterlage für den Liegestuhl benötigt! Pflicht auch ein Korb gefüllt mit Badi-Essentialia wie Getränk, Sonnencrème und - last but not least - Kreuzworträtsel. Auch die Wahl des Liegeplatzes haben die Stammgäste zur Kunst erhoben. Da kann man nur staunen und lernen. Am gediegensten ruht man nämlich wo? Genau, im Schatten, wo es sich am schönsten den Mittagsschlaf zelebrieren und schnarchen lässt. Und nicht etwa an der prallen Sonne, wo sich Jungspunde im Bräunungswahn hinpflanzen. Was Neulinge auch mit langwierigen Sonnenstandberechnungen nur approximativ erahnen können, haben die Stammgäste im Blut: die Orte immerwährenden Schattens. Damit man aber auch in Genuss der Sonne kommt, haben sie die raffinierte 2-Tücher-Technik entwickelt: Mit einem Tuch resp. mit dem Liegestuhl wird der Schattenplatz gesichert, mit dem zweiten Tuch ein schönes Sonnenplätzchen reserviert. Schlau, schlau, unsere Alterchens, da soll niemand was Anderes behaupten. Nein, denn unter den Stammgästen tummeln sich sogar Philosophen, die ihre Weisheiten der nicht ganz so gehörschwachen Jugend laut und deutlich verkünden. "Optimisten sind diejenigen, die Kreuzworträtsel mit Kugelschreiber ausfüllen". Das Badileben ist schön.

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