[Politik] Schweizer Eingreiftruppe im Ausland ohne UNO-Mandat?
Erstaunlich wenig Wellen in der Medien- wie Bloglandschaft hat die geplante neue Mini-Eingreiftruppe aus dem Hause Schmid geworfen. Ich jedenfalls war ziemlich überrascht, ja nachgerade erschüttert, als ich den (launig betitelten) Artikel "Schmids schnelles Eingreif-Trüppchen" in der heutigen BaZ (leider nur für Abonnenten online zugänglich) las: 91 bewaffnete Schweizer Soldaten sollen im Ausland nicht nur Truppen, Personen und Sachen schützen und Militärpersonal und Zivilisten retten und rückführen sondern auch noch "weltweit Schlüsselinformationen beschaffen"? Und das alles auch ohne UNO- oder OSZE-Mandat?
Sonderkommando oder Sonderangebot? Erschütternd auch die Bebilderung des Artikels bei BaZ-Online ... oder sind wir Zeugen ganz neuer Formen der Schleichwerbung?
So sieht's wohl aus, wenn man dem Bericht der BaZ glauben darf. Danach hat die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (Sik) eine neue Verordnung über den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen im Ausland (VSPA) "zur Kenntnis genommen". Leider ist die Verordnung meines Wissens nirgends zu finden. Ebenso wenig habe ich weitere Presseberichte dazu gefunden, so dass ich mich nachfolgend darauf beschränke, die BaZ grosszügig zu zitieren und zu kommentieren (alle Zitate, soweit nicht anders erwähnt, aus dem erwähnten BaZ-Artikel):
"Zu entscheiden haben die Kommissionen des Parlaments bei Verordnungen des Bundesrates eigentlich nichts. Auslandeinsätze der Armee sind indes umstritten. Schon der Artikel 66 des Militärgesetzes über "Friedensförderungsdienst" der Armee im Ausland ist mit gut 50 Prozent der Stimmen vom Volk nur knapp angenommen worden. Darum verlangten die Kommissionen umfassende Information über den bisher nicht veröffentlichten Entwurf des Bundesrates zur VSPA und zum schnellen Eingreiftrüppchen."
In der Tat war die damalige Abstimmung über die Änderung des Militärgesetzes (Abk.: "MG", wie passend) hoch umstritten. Siehe zu Pro- und Contra-Stimmen diesen NZZ-Artikel vom 4. Mai 2001. Widerstand gab es von rechts wie links) und der Ausgang war denkbar knapp (offizielles Ergebnis).
"Dabei kritisierten einzelne Volksvertreter vorab zwei Punkte:Erstens geht die Verordnung über den Artikel 69 des Gesetzes, auf den sie sich stützt, insofern hinaus, als dieser den Truppeneinsatz bloss "zum Schutz von Personen und besonders schutzwürdiger Sachen im Ausland" erlaubt. Vom "Schutz eigener Truppen", die ja "zum Selbstschutz" selber schon bewaffnet sind, steht nichts im Gesetz."
Da kann ich mit den "einzelnen Volksvertretern" nur anschliessen. (Text von Art. 69 MG)
"Zweitens dürfen Schweizer Friedenstruppen gemäss Artikel 66 nur "auf der Grundlage eines UNO- oder OSZE-Mandates" ins Ausland verlegt werden. Die neue Sondertruppe soll hingegen auch ohne UNO-Mandat intervenieren können, wenn der betroffene Staat "einverstanden" ist.
Der Bundesrat betont in seinem "Erläuternden Bericht" zu Handen der Kommissionen zwar, seine 91 Spezialkämpfer würden "grundsätzlich" nur mit dem Einverständnis des Staates intervenieren, "auf dessen Hoheitsgebietder Einsatz stattfinden soll". Doch gebe es auch da "mögliche Ausnahmen". So würden "teilweise unter Berufung auf ein gewohnheitsmässiges Selbstverteidigungsrecht gewaltsame Rettungsaktionen eigener Staatsangehöriger" ohne Einverständnis gerechtfertigt."
Wenn's denn nur Rettungseinsätze und nicht auch die Beschaffung von Schlüsselinformationen und der Schutz von Personen, Sachen und Truppen sind. Wird jetzt auch die Schweiz bald am Hindukusch verteidigt?
Und was kümmert es uns schon, wenn entgegen der gesetzlichen Grundlage (und damit gegen den Volkswillen) nun plötzlich die so genannten Friedensförderungseinsätze auch ohne OSZE- oder UNO-Mandat möglich sein sollen? Die Koalition der Willigen (Irak-Krieg) und die NATO (Jugoslawien) haben ja bereits vorgemacht, dass es auch prima ohne geht.
Clever ist übrigens auch die gewählte Zahl von 91 Soldaten, denn in Art. 66b Abs. 4 MG heisst es:
"4 Werden für einen bewaffneten Einsatz mehr als 100 Angehörige der Armee eingesetzt oder dauert dieser länger als drei Wochen, so muss die Bundesversammlung den Einsatz genehmigen. In dringenden Fällen kann der Bundesrat die Genehmigung der Bundesversammlung nachträglich einholen."
"In seinen Erläuterungen beruft sich der Bundesrat auf "Sicherheit durch Kooperation". Darum werde die aus Grenadieren und Fallschirmaufklärern bestehende Berufstruppe, die im Jahr 16 Millionen Franken kosten soll, bei der Ausbildung und teils auch bei Einsätzen die "Zusammenarbeit mit anderen Staaten" suchen. Er begründet den Aufbau der kleinen Spezialtruppe allerdings auch so: "In Krisensituationen sind freundnachbarliche Hilfeleistungen nicht garantiert.""
Wir suchen also die "Zusammenarbeit mit anderen Staaten", auf deren Hilfeleistungen wir uns "in Krisensituationen" gar nicht verlassen können. Das macht Sinn!
Und da Spezialkräfte anderer Länder sicherlich genau wie wir immer genau zwischen "friedensfördernden", "friedensunterstützenden" und "friedenserzwingenden" Einsätzen unterscheiden, wird diese Zusammenarbeit völlig problemlos möglich sein.
Kurz: Was hier mit dieser Verordnung versucht wird, ist nichts Anderes als eine unzulässige Ausweitung der gesetzlich vorgesehenen Auslandseinsätze der Armee. Und dies gegen die deutlich kritische Haltung der Stimmberechtigten. Da rufen wir Sämi im jovialen RS-Slang zu: "Nicht erfüllt, das Ganze noch eins mal!"
-----
In den Gehörgängen: Daft Punk - One More Time (Robbie Riviera's Tribal Bootleg Mix (das Original war ja schon der Tanzflurfüller, aber dieser Mix ist der "Börner")
Zuletzt gelesen: K-Tipp
Zuletzt geglotzt: Tagesschau
Aktuelles Lieblingswort: soigniert
Sonderkommando oder Sonderangebot? Erschütternd auch die Bebilderung des Artikels bei BaZ-Online ... oder sind wir Zeugen ganz neuer Formen der Schleichwerbung?
So sieht's wohl aus, wenn man dem Bericht der BaZ glauben darf. Danach hat die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (Sik) eine neue Verordnung über den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen im Ausland (VSPA) "zur Kenntnis genommen". Leider ist die Verordnung meines Wissens nirgends zu finden. Ebenso wenig habe ich weitere Presseberichte dazu gefunden, so dass ich mich nachfolgend darauf beschränke, die BaZ grosszügig zu zitieren und zu kommentieren (alle Zitate, soweit nicht anders erwähnt, aus dem erwähnten BaZ-Artikel):
"Zu entscheiden haben die Kommissionen des Parlaments bei Verordnungen des Bundesrates eigentlich nichts. Auslandeinsätze der Armee sind indes umstritten. Schon der Artikel 66 des Militärgesetzes über "Friedensförderungsdienst" der Armee im Ausland ist mit gut 50 Prozent der Stimmen vom Volk nur knapp angenommen worden. Darum verlangten die Kommissionen umfassende Information über den bisher nicht veröffentlichten Entwurf des Bundesrates zur VSPA und zum schnellen Eingreiftrüppchen."
In der Tat war die damalige Abstimmung über die Änderung des Militärgesetzes (Abk.: "MG", wie passend) hoch umstritten. Siehe zu Pro- und Contra-Stimmen diesen NZZ-Artikel vom 4. Mai 2001. Widerstand gab es von rechts wie links) und der Ausgang war denkbar knapp (offizielles Ergebnis).
"Dabei kritisierten einzelne Volksvertreter vorab zwei Punkte:Erstens geht die Verordnung über den Artikel 69 des Gesetzes, auf den sie sich stützt, insofern hinaus, als dieser den Truppeneinsatz bloss "zum Schutz von Personen und besonders schutzwürdiger Sachen im Ausland" erlaubt. Vom "Schutz eigener Truppen", die ja "zum Selbstschutz" selber schon bewaffnet sind, steht nichts im Gesetz."
Da kann ich mit den "einzelnen Volksvertretern" nur anschliessen. (Text von Art. 69 MG)
"Zweitens dürfen Schweizer Friedenstruppen gemäss Artikel 66 nur "auf der Grundlage eines UNO- oder OSZE-Mandates" ins Ausland verlegt werden. Die neue Sondertruppe soll hingegen auch ohne UNO-Mandat intervenieren können, wenn der betroffene Staat "einverstanden" ist.
Der Bundesrat betont in seinem "Erläuternden Bericht" zu Handen der Kommissionen zwar, seine 91 Spezialkämpfer würden "grundsätzlich" nur mit dem Einverständnis des Staates intervenieren, "auf dessen Hoheitsgebietder Einsatz stattfinden soll". Doch gebe es auch da "mögliche Ausnahmen". So würden "teilweise unter Berufung auf ein gewohnheitsmässiges Selbstverteidigungsrecht gewaltsame Rettungsaktionen eigener Staatsangehöriger" ohne Einverständnis gerechtfertigt."
Wenn's denn nur Rettungseinsätze und nicht auch die Beschaffung von Schlüsselinformationen und der Schutz von Personen, Sachen und Truppen sind. Wird jetzt auch die Schweiz bald am Hindukusch verteidigt?
Und was kümmert es uns schon, wenn entgegen der gesetzlichen Grundlage (und damit gegen den Volkswillen) nun plötzlich die so genannten Friedensförderungseinsätze auch ohne OSZE- oder UNO-Mandat möglich sein sollen? Die Koalition der Willigen (Irak-Krieg) und die NATO (Jugoslawien) haben ja bereits vorgemacht, dass es auch prima ohne geht.
Clever ist übrigens auch die gewählte Zahl von 91 Soldaten, denn in Art. 66b Abs. 4 MG heisst es:
"4 Werden für einen bewaffneten Einsatz mehr als 100 Angehörige der Armee eingesetzt oder dauert dieser länger als drei Wochen, so muss die Bundesversammlung den Einsatz genehmigen. In dringenden Fällen kann der Bundesrat die Genehmigung der Bundesversammlung nachträglich einholen."
"In seinen Erläuterungen beruft sich der Bundesrat auf "Sicherheit durch Kooperation". Darum werde die aus Grenadieren und Fallschirmaufklärern bestehende Berufstruppe, die im Jahr 16 Millionen Franken kosten soll, bei der Ausbildung und teils auch bei Einsätzen die "Zusammenarbeit mit anderen Staaten" suchen. Er begründet den Aufbau der kleinen Spezialtruppe allerdings auch so: "In Krisensituationen sind freundnachbarliche Hilfeleistungen nicht garantiert.""
Wir suchen also die "Zusammenarbeit mit anderen Staaten", auf deren Hilfeleistungen wir uns "in Krisensituationen" gar nicht verlassen können. Das macht Sinn!
Und da Spezialkräfte anderer Länder sicherlich genau wie wir immer genau zwischen "friedensfördernden", "friedensunterstützenden" und "friedenserzwingenden" Einsätzen unterscheiden, wird diese Zusammenarbeit völlig problemlos möglich sein.
Kurz: Was hier mit dieser Verordnung versucht wird, ist nichts Anderes als eine unzulässige Ausweitung der gesetzlich vorgesehenen Auslandseinsätze der Armee. Und dies gegen die deutlich kritische Haltung der Stimmberechtigten. Da rufen wir Sämi im jovialen RS-Slang zu: "Nicht erfüllt, das Ganze noch eins mal!"
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In den Gehörgängen: Daft Punk - One More Time (Robbie Riviera's Tribal Bootleg Mix (das Original war ja schon der Tanzflurfüller, aber dieser Mix ist der "Börner")
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gebsn - Mittwoch, 22. Februar 2006, 23:51