[Polemik] England, deine Duschen! (Teil I)

Der unbedarfte Durchschnittsbürger geht davon aus, dass England, ja das gesamte britische Inselreich, als Teil der westeuropäischen Staaten- und Kulturgemeinschaft zur so genannten “Ersten Welt“ zu zählen ist. Doch hier liegt er falsch, oh so falsch!

Englandkundige können ein Liedchen davon schluchzen (gelle, liebe Schwester). Und da auch ich seit einiger Zeit aus Herzensangelegenheiten regelmässig in britischen Gefilden weile, stimme ich wehklagend mit ein. Ich will mich allerdings (für’s erste!) auf die Darlegung der haarsträubenden und jedem zivilisatorischen Grundkonsens spottenden Zustände in Englands Badezimmer und Toiletten widmen. An den Toiletten eines Landes sollt ihr sein Volk messen!

Im sanitären Saharagürtel Britannien liegt dermassen viel im Argen, man weiss gar nicht, wo man mit dem Wehklagen beginnen soll. Vielleicht bei den Waschbecken, hierzulande auch gerne “Lavabos“ genannt. Als selbstverständlich hatte ich bis anhin die generösen Ausmasse der schweizerischen Lavabos hingenommen, gedankenlos die grosszügig und grossflächig gestalteten Ränder als Ablage- und Arbeitsfläche für Rasierpinsel, Aftershave, und Atommeiler benützt. Bis ich erstaunt feststellen musste, dass man Lavabos auch in Aschenbechergrösse mit hauchdünnem Rand herstellen kann. Und diese dann generalstabsmässig in sämtlichen englischen Privathaushalten installiert.

Halb so wild, denkt sich die skeptische Leserschaft, schliesslich stehen in allen Herren Länder mit Spiegelkästlein, Wandvorsprüngen und Regalen doch leidlich Abstellflächen zur Verfügung. Stehen sie nicht. Denn auch hier befindet der Brite in gewohnt räsonfreier Manier: lieber klein als fein. Ist es nostalgische Erinnerung an die “gute“ alte Zeit des Britischen Empires, als man sich nur im Monatstakt mit nichts als Wasserspritzern Hände und Körperöffnungen wusch? Ist es eine garstige, unerklärliche Badezimmerzubehörmangellage? Oder ist es schlicht und einfach und wohl letztlich doch halt die diabolische Boshaftigkeit gegenüber den verdächtig gross gewachsenen Fremdlingen vom Festland?

Diese Frage muss wohl genauso ungeklärt bleiben wie das unergründliche Mysterium, warum es das von Eritrea über Nordkorea bis in die tiefsten Mongolischen Steppen auf dem gesamten Erdenrund verbreitete, zu Ehren gekommene und ach so praktische Mischwasserhahnmodell (in Fachkreisen fachkundig “Mischbatterie“ genannt) nicht über den Kanal und in die Badezimmer des fortschrittsresistenten englischen Völkchens geschafft hat. Die werten Herrschaften ziehen es vor, ihren Lavabos zwei goldfarbene bis rostige Wasserhähnen zu spendieren. Und schaffen es dabei trotz der bereits erwähnten nanoskopischen Waschbeckendimensionen die Wasserhähnen so weit auseinander zu platzieren, dass der Genuss von lauwarm temperiertem Wasser nur über einen zeitraubenden Mischvorgang im Waschbecken selbst möglich ist. Zeitraubend? Ja, zeitraubend! Denn die englischen Wasserheizgeräte (Boiler) sind übers ganze Land so standardisiert, dass warmes Wasser allerfrühestens fünf Minuten nach Aufdrehen des entsprechenden Hahnes fliesst. Eine Auflage, die übrigens von einem Heer von Kontrolleuren mindestens zwei Mal im Jahr unerbittlich kontrolliert wird. Und wehe, da fliesst warmes Wasser schon vor der Fünfminutenfrist. Da möchte man nicht in den geschmacklosen Schuhen des Fehlbaren stecken. Rübe runter ist noch das mildeste Urteil.

Pfiffige Entdeckerlust benötigt der Nichtengländer aber bereits, um den Warmwasserhahn ausfindig zu machen. Denn die angelsächsische Sitte will es, dass bei der Belegung und Beschriftung von Warm- und Kaltwasserhähnen fröhliche Willkür herrscht. Links, rechts, rot, blau - was spielt das schon für eine Rolle? Schliesslich kennt der langjährige britische Badbenützer die haarsträubenden Sonderlichkeiten seines Bades aus dem Effeff. Und den eingedrungenen Fremdlingen ist es durchaus zuzumuten, verzweifelt und schlotternd an den verschiedensten Hähnen herumzuschrauben, bis nach etlichen Minuten (siehe oben) Erfolg oder Misserfolg die Bemühungen “krönt“. Auf diese Weise soll sich wohl der Nichtbrite die angelsächsische Geduld aneignen, die er für Warteschlangen, den öffentlichen Verkehr und das bange aber vergebliche Warten auf die vielfach und weitherum herbeigelogene englische Höflichkeit braucht.

Wer nach solchen erschütternden Erfahrungen nicht sowieso und empfehlenswerterweise die britischen Lande weiträumig umfährt und meidet, der wird es möglicherweise eines Tages sogar unter eine englische Dusche schaffen. Was ihm nicht zu wünschen ist.

(Fortsetzung in Teil II, der in nicht allzu ferner Zeit hier erscheinen soll)

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